NFL Championship Weekend: Wir haben ein Finale

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Fast wäre es wieder passiert. In echter Joe Montana Manier wollte Tom Brady noch einmal ein spätes Comeback starten und seine New England Patriots gegen die Denver Broncos in die Overtime des AFC Championship-Games schicken. Acht Punkte Rückstand, noch 1:52 zu spielen, Brady bekommt den Ball. Auf Denvers Bank wird gezittert. Peyton Manning kann und will teilweise nicht mehr hinsehen. Einzige Gewissheit: die Patriots können nicht gewinnen, das Spiel könnte nur noch ein bisschen länger dauern.
Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen des vermutlich letzten Duells zwischen den Quarterback-Größen Tom Brady und Peyton Manning. Jede noch so relevante Statistik wurde ausgegraben, die besten Spiele ihrer bisherigen Aufeinandertreffen noch einmal gezeigt, Bestenlisten erstellt. Trotzdem glaubten nur die größten Optimisten an einen Sieg der Broncos, zu unsicher war man ob Manning noch einmal ein richtig großes Spiel in sich hatte. Natürlich kam alles ganz anders.
Die Defensive der Broncos spielt die gesamte Saison schon herausragend. Nicht selten konnte Denver Spiele wegen einer sensationellen Defensivleistung gewinnen. Das ist insofern relevant, da offensiv vor allem zu Beginn der Saison, gar nichts ging. Manning war ein Schatten seiner selbst, warf mehr Interceptions als Touchdowns, musste im Verlauf der Regular Season verletzungsbedingt aussetzen. Aber allen Turnovers zum Trotz: die Broncos gewannen ihre Spiele, egal ob Manning oder sein Ersatzmann Brock Osweiler die Offensive anführte. Defensiv hielt man dicht.
So auch gestern. Für Brady gab es kaum Zeit sich nach Anspielstationen umzusehen, zu groß war der Druck der Verteidiger auf seine O-Line, zu gut konnte Denver tiefe Pässe verteidigen. Was die Broncos da defensiv zeigten, war wirklich allerfeinstes Football. Brady und Co mussten insgesamt neun mal punten und man musste zusehen, wie Manning einen, für viele unerwartet starken Tag hatte. Gleich im ersten Drive sollte der Altmeister seine Pferde zu einem Touchdown und zur Führung anpeitschen. Defensiv lassen beide Mannschaften in den nächsten Drives nichts zu, es bleibt punktelos, bis Manning einen Rückwärtspass anbringt, der von seinem Runningback CJ Anderson gedroppt wird und indem die Patriots den Ball aufnehmen. Fumble, New England beginnt tief in der gegnerischen Hälfte und kann mit einem Touchdown an Denver anschließen.

523 ohne Makel, Miller macht den Unterschied

Stephen Gostkowski ist einer der besten Kicker der Liga. Der 31-Jährige ist für New England und Coach Bill Belichick so wichtig, dass man für ihn den einzigen Franchise Tag verwendet. Gostkowski trifft nahezu jedes Field Goal, Points After Touchdown (PATs) macht er im Schlaf. Auch die Versetzung des PATs an die 15 Yard Linie hat ihn bis gestern kalt gelassen. 523 mal in Folge versenkte er den PAT, ohne wenn und aber. Gestern aber verschoss er. 6:7 im ersten Viertel, da ist noch nichts verloren.
Wie jeder weiß und auch anerkennen muss, ist Tom Brady einer der besten Quarterbacks die dieses Spiel je gesehen hat. Kaum einer kann die Defensive des Gegners so lesen, kaum einer kann schneller den Ball so schnell loswerden wenn es brenzlig wird. Meistens kommt der Ball dann auch bei einem Mitspieler an. Dennoch hat auch Brady „Aussetzer“, wenn man das so nennen will, im konkreten: Denver setzt Brady enorm unter Druck, dieser droht gesackt zu werden und wirft den Ball noch weg, nur diesmal zum Gegner. Wäre der Ball ins nichts gegangen, Brady wäre auch nicht gesackt geworden da Incomplete Pass.
Von Miller kann den Ball von Brady abfangen und Denver wieder in Ballbesitz bringen. Der 26-jährige Linebacker ist auf dieser Position einer der besten Spieler der gesamten Liga. 2011 an zweiter Stelle gedraftet, ist Miller seitdem vier mal in den Pro Bowl und zwei mal ins All-Pro First-Team gewählt worden. Gestern zeigte Miller seine ganzes Können: fünf Tackles, zweieinhalb Sacks, eine Interception, Miller darf sich ganz offiziell Brady’s Albtraum nennen. Peyton macht aus dem Ballgewinn das Maximum und findet abermals seinen Tight End Owen Daniels, der mit seinem zweiten Touchdown zum Matchwinner werden sollte. Daniels spielte jahrelang bei den Houston Texans, ehe er nach einem kurzen Intermezzo bei den Baltimore Ravens nach Denver fand. Interessante Randnotiz: Daniels spielte nur bei Teams, bei denen Denver Coach Gary Kubiak zugegen war. Nach jeweils einem Field Goals von beiden Teams ging es mit 17:9 in die Pause.

Ohne Herzschlagfinale geht’s nicht

Nach der Pause können die Patriots mit einem Field Goal abermals näher an Denver rankommen, ehe Manning für einen sehr seltenen Anblick sorgte: der 39-Jährige lief! Mit dem Ball! Und das für zwölf Yards ohne Fumble zum First Down. Das ist neu und finden sogar seine Mitspieler zum Lachen:


Es sollte im dritten Viertel das einzige Highlight bleiben. Mit einer 17:12 Führung Denvers ging es in den letzten Spielabschnitt, den die Broncos gleich mit einem Field Goal abschließen konnten. Acht Punkte gilt es nun für Brady aufzuholen. Zeit ist genug, allerdings ist man gegen diese Denver Defensive meist ratlos. Die Uhr rennt, die Broncos lassen den Patriots viel Zeit, verteidigt aber wie gehabt makellos. Auf der anderen Seite kann Manning nicht mehr an seine Leistung in der ersten Hälfte anschließen und muss den Ball immer wieder sehr rasch an New England übergeben.
1:52 noch zu spielen, die Patriots beginnen dank eines starken Returns von Edelman an der 50 Yard Linie. Das sind genau Bradys Momente, die Momente in denen es um alles geht, in denen man seine Legacy weiter ausbauen kann. Die Broncos wissen was sie zu tun haben, Brady darf seinen Rhythmus nicht finden, muss gestoppt werden. Die O-Line der Patriots kollabiert derweil weiter vor sich hin, immer wieder können Denver Spieler zu Brady durchdringen und ihn beinahe sacken. Immer wieder schafft es Brady den Ball wegzuwerfen, die Uhr damit anzuhalten und keinen Raumverlust zu verursachen. Ohne diese Aktionen wären die Patriots bei 4&30 Yards gestanden, so blieb man beim vierten Versuch und zehn Yards. Jetzt zählts. Brady wirft den Ball und findet das Partytier Rob Gronkowski für 40 Yards. New England steht tief in der Redzone, hat noch ein paar Sekunden zu spielen. Die Spannung erreicht vorerst ihren Höhepunkt.


17 Sekunden sind noch zu spielen, Brady wirft in die Endzone auf den doppelt gedeckten Gronkowski, der sich davon aber nicht beeindrucken lässt und den Ball fängt. Touchdown, 18:20, New England muss auf zwei Punkte gehen um in die Verlängerung zu kommen. Brady sucht Edelman, findet aber Denvers Roby. Das war’s für New England, der vergebene PAT macht tatsächlich den Unterschied. Peyton Manning und seine Broncos stehen im Super Bowl.

Carolina bedingungslos

Womit die Broncos noch einen Gegner bräuchten. Die Carolina Panthers empfingen die Arizona Cardinals, die beste Offensive der Regular Season (Arizona) fordert die Offensive mit den meisten Punkten (Carolina). Das Spiel kann also ein Offensivspektakel werden. Oder eben auch eine Defensivschlacht, da beide Teams auch sehr gut verteidigen können. Sollte man zumindest glauben.
Heraus kam ein sehr einseitiges Spiel, indem Carolina an die erste Halbzeit des Seattle Seahawk Spiels anknüpfte. Bedingungslos in der Defensive, makellos in der Offensive brachte man die Cardinals an den Rand der Verzweiflung. Panthers Quarterback Cam Newton zeigte, dass er alles kann, fand seine Receiver nach belieben, tat er das nicht, lief er selbst. Diese Mischung ist unfassbar perfekt.


Arizona fand nicht ins Spiel, vertraute aber auf QB Carson Palmer und dessen Liebling Larry Fitzgerald. Letzterer war ja Gamewinner vergangene Woche gegen die Green Bay Packers und sollte auch in diesem Spiel für die wichtigen Punkte sorgen. Der Veteran gilt als einer der zuverlässigsten Receiver, ließ in seiner gesamten Karriere (zwölf Saisonen) nur 24 (!) Bälle fallen. Aber irgendwas muss im Wasser der Cardinals gewesen sein, denn weder Palmer noch Fitzgerald konnten auch nur ansatzweise an ihre bisherigen Saisonleistungen anknöpfen. Nach dem ersten Viertel stand es 17:0 für Carolina. Gerade als Palmer einmal so halbwegs ins Spiel fand, fumbelte er, Panthers Linebacker Luke Kuechly konnte den Ball recovern.
Dennoch, die Arizona Defensive hielt, Cam wurde three and out geschickt. Palmer startete an der eigenen 21 und kam langsam in Fahrt, fand Receiver und marschierte bis zu einem Touchdown über das Feld. Gut fürs Spiel, dachte man sich, noch ist genügend Zeit. Abermals konnte Arizona die Panthers in Schacht halten, Carolina musste punten. Cardinals Cornerback Patrick Peterson erwartet den Punt, „vergisst“ aber den Ball mitzunehmen, Carolina kann den Ball in Besitz nehmen. Zweiter Turnover für die Panthers. Newton marschiert in die Redzone und erzielt in typischer Superman-Manier einen Touchdown. 24:7.

Welcome to Pick-City

Jetzt kam es zu den kuriosesten Szenen des Spiels. Palmer bekam wieder den Ball, wurde aber gesacked und ließ den Ball fallen. Carolina recovered den Ball. Schon wieder. Newton kommt aufs Spielfeld sucht Dickson, findet aber nur Cardinals CB Peterson, der den Ball abfängt und bis an die Panthers Redzone laufen kann. Fehler wieder gut gemacht. Jetzt muss ein Touchdown folgen, dann gibt’s ein Spiel. Palmer sucht Brown, findet aber nur Kurt Coleman und der spielt nicht bei den Cardinals. Dritter Turnover innerhalb weniger Minuten. Da kommt man sogar auf Twitter nicht mehr mit.

Zu viel in zu kurzer Zeit
Zu viel in zu kurzer Zeit

Lass‘ ma’s dachten sich die Panthers. Abknien dann passiert nichts mehr. 24:7 in die Pause. Nach dieser ging es in der gleichen Tour weiter. Carolina fand offensiv wieder in die Spur und scorte ohne Ende, Palmer konnte nur selten antworten. 34:15 nach dem dritten Viertel. Viele stellten schon die Frage, ob es nicht besser wäre, Newton zu schonen. Das Spiel schien entschieden und war es nach einer weiteren Interception von Palmer endgültig. Newton spielte weiter, zeigte kein Erbarmen und warf wieder einen Touchdown. Palmer kommt wieder aufs Feld, wirft, findet aber nur Panthers Linebacker Luke Kuechly, wieder Interception, Kuechly kann den Ball gar in die Endzone tragen. Mitleid macht sich breit. Kuechly macht also back-2-back Interception Touchdowns, schon gegen die Seahawks konnte er einen Pick-Six beisteuern.
Und weil das Spiel noch nicht vorbei ist und Palmer noch einmal aufs Feld darf, wirft er noch eine Interception. Das hat sich der gute Mann nicht verdient. Gut, die meisten Pässe von ihm waren gestern einfach schlecht: man wirft nicht in Double-Coverages. Da darf man sich nicht wundern, wenn der Ball abgefangen wird. Dennoch sehr tragisch für die ohnehin schon durch Aufs und Abs geprägte Karriere des Carson Palmer. Newton bekam seine Pause, Back-up QB Anderson kam aufs Feld und ließ die Zeit ablaufen. 49:15, ein Rekordspiel, mehr punkte fielen in einem NFC Championship-Game noch nie. Hall Of Famer Deion Sanders kann sich den Spott nicht verkneifen:

Treffen in Santa Clara

Die besten Teams des Grunddurchgangs treffen als im Super Bowl 50 aufeinander. Für Newton und die meisten seiner Panthers eine neue Situation. Für Peyton Manning ist es der vierte Finalauftritt, einmal konnte er gewinnen (allerdings noch mit den Indianapolis Colts), zwei mal musste er sich geschlagen geben. Es ist ein ähnliches Duell wie jenes vor zwei Jahren, als die Broncos auf die Seattle Seahawks trafen. Auch damals musste Manning mit einem jungen Quarterback fertig werden und eine starke gegnerische Defensive ausschalten. Wie das ausging ist bekannt. Am 7. Februar wissen wir mehr, dann findet das Endspiel im Levi’s Stadium (dem neuen Tempel der San Francisco 49ers) statt.
Jetzt gilt alles der Vorbereitung. Zwei Wochen Zeit um den Gegner genauestens zu studieren. Das machen wir derweil auch und werden die ein oder andere Geschichte im Vorfeld des Super Bowls bringen.

Titelbild: Facebook/NFL

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