Dieser Text wurde zuerst in der UNIpress veröffentlicht.
Stefanie Sargnagel wurde in einem Innsbrucker Magazin erst kürzlich als „Beisl-Poetin“ bezeichnet. In Wahrheit trifft diese Beschreibung durchaus zu. Neben zehn FB-Statusmeldungen am Tag, schreibt die freie Autorin regelmäßig in diversen Zeitungen, seit kurzem auch bei den ganz großen jenseits der österreichischen Grenzen.
Sargnagel: Liebling der gutbürgerlichen Weißen
Verfolgt man Sargnagels Tun, dann geschieht all das meist in einem Beisl, nach einem Beisl-Besuch oder vor einem Beisl-Besuch. Jedenfalls immer mit roter Kappe auf dem Kopf und ein paar Dosen Wiener Bier am Tisch. Die Gründe für das Phänomen Sargnagel wurden schon hundertfach gesucht und beschrieben. Der Spiegel urteilte recht knapp und deutlich: „Medien-Darling Sargnagel ist deshalb der Liebling der Feuilletonisten, weil der Kulturbetrieb, der vornehmlich aus gutbürgerlichen Weißen besteht und Kultur für gutbürgerliche Weiße macht, alle paar Jahre jemanden Prekäres hypen muss, um sich wieder weltoffen und lebensnah zu fühlen.“ (frei nach Spiegel-Autorin Dana Buchzik) Diese Analyse trifft sowohl Ton, als auch Inhalt und das Internet-Kultur-Phänomens Stefanie Sargnagel ziemlich auf den Kopf.
Die Wienerin mit Hang zur ehrlichen Selbstinszenierung hat etwas so Alltägliches an sich, dass selbst der kleinste Mann und die kleinste Frau davon träumen dürfen, irgendwann einmal berühmt zu werden. Selbst die sargnagelschen Bücher haben etwas von belanglos, einfach und zufällig. Im Spiegel-Artikel hieß es dazu: „Nun erscheint ihr zweites Buch „Fitness“, eine wirre Ansammlung von Status-Updates und Ausfälligem.“ Stimmt. Vor fünf Jahren hätte ein Buch, welches ausschließlich aus gedruckten FB-Status-Updates der Autorin besteht, sicher keine Erwähnung im Kulturteil einer renommierten deutschen Zeitung gefunden. Was ist also passiert? Sind die Medien wirklich kurz vorm Abkratzen und versuchen kurz vor dem Ende verzweifelt, junge Menschen zu begeistern und zum Lesen zu bewegen? Ist es das Verlangen der Masse nach Helden, die ihnen ähnlich, die ihnen nahe, die ihnen vertraut sind? Sind es die Zeiten der globalen Krisen, die nach Normalität verlangen? Schwere Fragen, auf die man mit Büchern voller Statusmeldungen antworten könnte und dennoch nicht einmal im Ansatz zufrieden wäre.
Wanda: Lederjacke an, Schwanz raus, feiern!
Um möglichen Antworten näher zu kommen, schauen wir uns das zweite rot-weiß-rote Phänomen des letzten Jahres an, das es über die Landesgrenzen hinaus zu Ruhm und Anerkennung geschafft hat. Die Band Wanda. Die zuvor beschriebene Autorin war es, die mit ihrem Text über die Band in der Süddeutschen Zeitung für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Ihr Artikel mit dem social-media-tauglichen Titel „Das letzte verzweifelte Schwanz-Rausholen“, gehörte auf SZ.de zu den erfolgreichsten Texten des Jahres, und das, obwohl Sargnagel an ihren Landleuten kaum ein gutes Haar lässt und schonungslos über ihre „Abscheu und Faszination“ gegenüber der Band spricht. „Eine Band aus der Hölle“ sei Wanda, die einen verfolgt bis in den letzten Winkel, weil ihre Sätze „sitzen wie Werbeslogans“ und „die Konzerte zum gemeinsamen Fallenlassen einladen.“
Klingt alles nicht nach großem Zauber, sondern eher nach gut gemachter Show und einem Konzept das jenen von DJ Ötzi und Helene Fischer gar nicht so unähnlich scheint. Aber wieso findet dann genau diese Band, rund um den Lederjacken-tragenden und auf der Bühne rauchenden, Michael Wanda, einen solchen Zuspruch, dass Konzerthallen innerhalb von 45 Minuten ausverkauft sind und wir kreischend „Bussi Baby“ und „Amore“ brüllen? Wahrscheinlich ist es auch hier diese realitätsnahe Inszenierung (oder inszenierte Realitätsnähe), auf die die Menschen abfahren und die die Künstler gerade in unserer Generation so beliebt machen.
Was wir wirklich lernen könnten
In den letzten Jahren hat sich ein Phänomen nämlich besonders verstärkt. Die Welt ist unnahbarer geworden und das in all ihren Facetten. Ein Werner Faymann ist so volksnahe wie Gregor Schlierenzauer ein guter Verlierer. Über Flüchtlingsströme liest man tagtäglich, man sieht sogar erschreckende Bilder von Menschen mit purer Verzweiflung in den Augen, so wirklich realisieren kann es trotzdem kaum jemand. Obergrenzen für Menschen erzeugen einen 24 Stunden Aufschrei – das haben Registrierkassen- und Allergenkennzeichnungspflicht aber auch. Die Welt, zumindest so wie sie unsere Generation in Europa kennt, scheint sich spürbar zu verändern.
Während einige über ihre Unsicherheiten und Ängste reden, spielen andere sie herab und dritte verwandeln sie in Hass. In Zeiten der kollektiven Unsicherheit hat jeder seine eigene Taktik, wie er/sie mit den sich verändernden Lebensumständen umgeht. Was sich jedoch zeigt, ist, dass gerade jetzt ehrliche, authentische, greifbare, verständliche und direkte Botschaften gefragter sind denn je. Das wissen leider nicht nur Künstler à la Sargnagel und Wanda, sondern auch vermeintlich soziale Heimatversteher. Bleibt zu hoffen, dass der Großteil unserer Generation auch zukünftig lieber sargnagelsche Suff-Anekdoten und Amore feiert. Denn wenn wir eines von Sargnagel, Wanda und Co lernen können: In Österreich ist vieles möglich!
Artikelbild (c) Dominik Sommer; Quelle: Facebookseite "Wanda"
Peinlicher Artikel. Da scheint jemand von Neid zerfressen, dass seine eigene Arbeit keine Aufmerksamkeit bekommt. Das Ding ist: Du kannst es anscheinend nicht. Das Schreiben; sich abheben. Da musst du halt nach jenen treten, denen du den Erfolg nicht gönnst. So konventionell diese Verarbeitungsstrategie auch ist: Bist du dir dafür nicht zu schade?
Am liebsten rede bzw. schreibe ich ja mit Menschen, die sich nicht hinter einem Pseudonym verkriechen. Aber was solls… das Internet ist halt so.
Ich bin durchaus überrascht, dass du hier Neid rausliest. Das war so gar nicht meine Intention. Wahrscheinlich nicht plakativ und eindeutig genug.
Naja, egal. „…dass selbst der kleinste Mann und die kleinste Frau davon träumen dürfen, irgendwann einmal berühmt zu werden..“ IST meiner Meinung nach Kunst und zwar eine mit Relevanz. Denn sie trifft den Zeitgeist und fällt auf einen nahrhaften Boden.
Meinem Kernanliegen widme ich allerdings nur einen Satz „…Bleibt zu hoffen, dass der Großteil unserer Generation auch zukünftig lieber sargnagelsche Suff-Anekdoten und Amore feiert.“
Vielleicht ist das peinlich. Ich weiß es nicht. Aber ja … wenn man öffentlich schreibt, muss man sich eben auch (anonymen) Kritikern stellen.
Hab grade Binge Living von Frau Sargnagel gelesen. Kenne außerdem viele ihrer Artikel aus dem Vice Magazin. Ich gehör wohl auch zu den Leuten, die Frau Sargnagel unglaublich genial finden. Aber ich hype sie nicht wegen ihrer Herkunft oder sonst irgendwelcher Gründe, ich mag ihre Texte weil sie unglaublich pointiert und scharfsinnig schreiben kann und weil ihre Texte einfach spaß machen. Im Gegensatz zu dem Ihrigen, Herr Kozubek.
Frau Sargnagel meinte ja, ich sein ein sich selbst überschätzender Mann. Vielleicht liegt es daran.
Steffi Sargnagel im Wesentlichen darauf zu reduzieren, dass sie gern ins Wirtshaus geht und eine rote Kappe trägt und zehnmal am Tag einen Facebook-Status postet, zeugt von deiner sehr oberflächlichen Beschäftigung mit ihrem Schaffen. Sie ist schlicht und einfach eine sehr vielseitige Humoristin. Ihr Schmäh kennt unzählige Ebenen und lässt sich mit der Lektüre von ein paar Facebook-Meldungen weder fassen noch durchschauen. Humor, den man zu schnell begreift, ist schnell abgenutzt. Steffi biegt dagegen oft um Ecken, wo man gar keine vermutet. Und sie beherrscht ganz viele, ganz feine Zwischentöne. Das NICHT zu erkennen disqualifiziert deine arrogante Analyse. Glücklicherweise erkennen Steffis wuchtiges Können immer mehr Leute und haben Freude an ihren schönen Gedanken. Nachdem ich ihre wunderbaren Texte seit bald 15 Jahren treu und begeistert lese, wünsche ich ihr das schon lange. Die Literatur braucht nämlich ganz viel Sargnagel und viel weniger Hofschreiberei (Verzeih!).
Schön wäre es doch, wenn beides Platz hätte.
Es tut mir jedenfalls leid, sollte ich den Anspruch geweckt oder das Versprechen gegeben haben, hier eine tiefgehende, allumfassende und ganzheitliche Analyse des Phänomens Sargnagel (und/oder Wanda) abzuliefern. Im Gegenteil … mein Fokus liegt darauf, wieso gerade JETZT (nach 15 Jahren, sagen Sie?) der Durchbruch kommt. Weil die Zeit günstig ist? Weil Nähe und Nahbarkeit jetzt wichtig sind?
Genau das meine ich ja: Den Erfolg von Stefanie Sargnagel auf irgendein Zeitgeist-Phänomen zu reduzieren oder mit einem gesellschaftlich gerade akuten Wunsch nach Nähe und Nahbarkeit zu erklären, tut ihr als fantastischer Autorin ganz einfach unrecht.
Abgesehen davon glaube ich sehr wohl, dass es neben vielen treuen und neuen Lesern, die ihren Humor einfach schätzen, auch so manche Fans gibt, die einerseits von einer gewissen Derbheit angezogen werden (und vor allem die interessant finden) und die sich von Steffi auch Kommentare zu aktuellen (politischen und gesellschaftlichen) Ereignisse erhoffen, die ohne irgendwelche Korrektheits-Filter auskommen und wohltuend respektlos sind. Letzterer Aspekt wäre EIN Erklärungsansatz für den rasanten Erfolg, gerade in einem sozialen Netzwerk, das zu bersten droht vor Unvernunft und Schwachsinn. Da freut sich so mancher bestimmt über ein bisschen Halt in Form einer sehr meinungsstarken, zuweilen radikalen Autorin, die gesellschaftlich und politisch halbwegs verlässlich einzuordnen ist.
Dass „der Kulturbetrieb alle paar Jahre jemanden Prekäres hypen muss“ ist jedenfalls der platteste und respektloseste Ansatz, über den man sich einer Schriftstellerin annähern kann. Das erinnert ein bisschen an den Phettberg-Hype in den 90ern – Gefühlte zehntausend Artikel über seine Bladheit, seine grausige Wohnung, seine sexuellen Vorlieben… Alles Aspekte, die er auch selbst gerne erwähnt bis ausgestellt hat. Aber vor allem war er der beste Talkmaster von hier bis Texas. Einfach IRGENDEINEN bladen Sadomasochisten auf die Bühne zu stellen, reicht einfach nicht. Und es hat eben auch nicht IRGENDEINE Beisl-Besucherin mit roter Kappe Erfolg. Vor allem hat sie ihn nicht DESHALB.
Ich sehe an Nähe und Nahrbarkeit absolut nichts verwerfliches. Im Gegenteil – ich empfinde Kultur die das kann, als absolut positiv. Da unterscheiden sich wohl unsere Be“wertung“skriterien.
Das mit dem „Kulturbetrieb der hypen muss“ kommt nicht von mir. Das ist ein Zitat aus einem Artikel im Spiegel und zeigt einfach wie die Autorin AUCH gesehen wird. Das trägt meiner Meinung nach zu ihrem Erfolg ebenfalls bei.
Und nein. Es hat nicht IRGENDEINE Beislbesucherin geschafft. Die Dame kann schreiben, böse, derb und pointiert. (vllt ja auch anders) Aber es ist eben JETZT eine Beislpoetin die gut ankommt. Und das führe ICH durchaus darauf zurück, dass die Menschen sie verstehen. Da sie eine Sprache spricht die vielen bekannt vorkommt. Und genau das schreibe ich… “ dass selbst der kleinste Mann und die kleinste Frau davon träumen dürfen, irgendwann einmal berühmt zu werden.“ Er kann davon TRÄUMEN. Nicht er kann das auch. Aber es kommt ihm so vor. Und ich bin mir sicher, dass das auch einen Teil des momentanen Erfolgs ausmacht.
Ich habe versucht mich respektvoll dem Thema zu nähern und meine Wahrnehmung zu beschreiben. Schade, dass dann gleich Sätze kommen … wie … „Die Literatur braucht nämlich ganz viel Sargnagel und viel weniger Hofschreiberei“ Wenn Sie mir vorwerfen, mich mit Stefanie Sargnagel nur oberflächlich beschäftigt zu haben, wie schaut es dann mit ihrer Analyse aus? Schade, dass der Beißreflex immer so ein arger ist und keine wirkliche Diskussion zulässt.
Aber ja… lieber aufrichtig neidisch, als heuchlerisch lobend!
Damit klingt das ja auch schon viel differenzierter. Wenn das aus dem Artikel auch herauszulesen wäre, wäre er m.E. viel runder und würde weniger abschätzig wirken. Danke jedenfalls für die ausführliche Replik!
Um das herauslesen zu können, hätte man eben den automatisierten Beißreflex kurz bändigen sollen und eventuell genauer lesen. Gerade nach deinen Ausführungen über die Vielschichtigkeit der sargnagelschen Texthappen, hätte ich mir erhofft, dass es dir gelingt zwischen Zitaten und tatsächlichen Formulierungen meinerseits zu unterscheiden und auch die Feinheiten wahrzunehmen. In diesem Fall war das leider nicht so. Deshalb auch – gerne – meine ausführlichen Erläuterungen dazu.
Shame on me, ich kenne weder Sargnagel (ausser meine Tschigg), noch Wanda (ausser den gleichnamigen Fisch), jedoch geben sowohl der Artikel als auch die Kommentare einen recht guten Überblick. Ein Phänomen sehe ich hinter dieser Entwicklung eher nicht, eher eine Wiederholung der Geschichte: In Zeiten der radikalen Veränderung tritt häufig der Biedermeiereffekt auf. Waren in bildnerischen Bereichen in der letzten Biedermeierepoche spitzwegsche arme Poeten das Thema, sind es heute Kätzchenbilder.
Während Politik, „Kunst“ und Medien krampfhaft versuchen den Status Quo einer längst vergangenen Zeit aufrecht zu erhalten, verändert sich diese Welt in einer bisher komplett unbekannten Geschwindigkeit.
Und genau deshalb die Flucht in die Beisllyrik, denn diese Welt wird verstanden, diese Welt ist bekannt und diese Welt ist in Ordnung. Deshalb gefallen Lieder über die Tante die in Bologna Amore hatte. (hab mir während ich das schreibe gerade ein paar Lieder angehört).
Diesen Rückzug in die heile Welt, die Rückbesinnung auf das Einfache, nehme ich auch wahr.
„In Zeiten der kollektiven Unsicherheit hat jeder seine eigene Taktik, wie er/sie mit den sich verändernden Lebensumständen umgeht. Was sich jedoch zeigt, ist, dass gerade jetzt ehrliche, authentische, greifbare, verständliche und direkte Botschaften gefragter sind denn je.“
Die Suche nach der Nähe, nach dem Greifbaren ist gefragter denn je. Und das ist meiner Meinung nach der Nährboden für den Erfolg von besagten Autoren und Bands.
Nichts anderes habe ich je behauptet und geschrieben. Die Sensibilität und die Verteidigung dieser „Entwicklung bestätigt oben genanntes – meiner Meinung nach – nur.