Seit Release gehen die Meinungen der Kritiker und Spieler auseinander: Vom Meisterwerk bis zum absoluten Schrott-Titel 2020 reicht das Spektrum. Die Gründe dafür sind vielschichtig und zeigen einige Probleme der Gaming-Industrie und ihrer Community auf. Zunächst aber noch eine kleine Zusammenfassung zum Spiel an sich.
Kurzer Plot
Die Geschichte von Joel und Ellie aus dem Erstling The Last of US hat die gesamte Gaming-Welt seit dem Erscheinen vor sieben Jahren nachhaltig geprägt. Die Entwickler von Naughty Dog schafften es eindrucksvoll, Charaktere so nahbar und gefühlvoll durch die Zombieapokalypse zu schicken, dass jeder Spieler zu Hause in jeder Spielsekunde mit den beiden mitfieberte. Jetzt, in Teil zwei ändert sich daran wenig.
Die Handlung spielt fünf Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils. Ellie und Joel leben zusammen mit anderen Überlebenden in einer Siedlung in Jackson, Wyoming und gehen regelmäßig auf Patrouille, um die Stadt vor Infizierten zu schützen. So weit so unspektakulär. Doch durch einige Ereignisse sollte ein überdimensionaler Rachefeldzug folgen. In The Last Of Us Part II spielt man neben Ellie auch Abby, eine weitere Überlebende aber auch ein gänzlich neuer Charakter.
Wer jetzt trotz der Spoilerwarnung immer noch da ist, soll endlich den Text schließen und weiterspielen – ab sofort werden Inhalte verraten.
Und plötzlich aus
Nach wenigen Spielstunden kommt der wohl größte inhaltliche Debattierpunkt von TLOUII. Joel und sein Bruder Thommy sind auf ihrem Sichtungsgang auf Abby gestoßen, die gerade von Infizierten verfolgt und fast ums Leben gekommen wäre. Nicht wenig verwunderlich retten Joel und Thommy Abby und weil die Zombies sämtliche Wege nach Jackson für den Moment versperren, wählen sie den Weg in Abbys Unterschlupf, der in einem Haus unweit der Siedlung liegt. Dort lebt sie zusammen mit anderen Überlebenden. Die drei reiten hinein, das Tor wird verschlossen die Untoten vor der Tür gelassen und mit Hilfe von ein paar Molotow-Cocktails endgültig in die ewigen Jagdgründe geschickt. Durchschnaufen, alles ist gut.
Bis sich Joel und Thommy namentlich vorstellen. Abby war auf der Suche nach Joel, da er – wie man erfahren sollte – der Mörder ihres Vaters ist, der Ellie am Ende von Teil eins operieren sollte, um ein Gegenmittel für den Biss eines Zombies zu finden. (Rückblick: Ellie, die gebissen wurde, sich aber nicht verwandelte und daher immun ist, müsste dabei sterben, da der heilende Pilz in ihrem Hirn wächst. Nachdem Joel davon erfahren hatte, rettete er Ellie und erschoss den Operateur, der Abbys Vater war). Es wird also Rache genommen. Thommy kurzerhand KO geschlagen, Joel fürs erste ebenso, wenn auch deutlich brutaler.
Ellie, ihre Freundin Dina und Weggefährte Jesse machen sich ob des langen Ausgangs der beiden Brüder Sorgen und brechen zur Rettungsmission auf. Sie trennen sich in verschiedene Richtungen, Ellie kann schließlich zum Unterschlupf Abbys durchkommen und findet Joel während des schweren Folterrituals tatsächlich. Allerdings wird sie zu Boden gerissen und darf mitansehen, wie Abby Joel per Golfschläger den Kopf einschlägt. Ellie schwört noch im selben Moment Rache, wird dabei fast umgebracht, schlussendlich aber doch verschont. Damit hat The Last Of Us Part II seinen zentralen Handlungsstrang gefunden.
Das Ende von Hauptfigur Joel gilt als zentraler Kritikpunkt am Spiel. Als Spieler kann und will man die enge Beziehung zu Joel Charakter nicht ausblenden, der plötzliche Tod des Hauptprotagonisten erinnert ein wenig an die Bluthochzeit aus Game of Thrones. Unwürdig oder nicht, der Rachefeldzug Ellies beginnt. Alle Verbündeten und Abby sollen büßen und sterben.
Die allgemeinen Probleme
Von den inhaltlichen Diskussionen abgesehen, offenbart ein Teil Gaming-Community wegen The Last Of Us Part II seine weiterhin deutlich zu sehenden Schwächen. Im Jahr 2020 scheinen sehr viele Zocker noch immer Probleme mit einem weiblichen Hauptcharakter zu haben. Da Ellie zudem noch auf Frauen steht und eine Freundin hat, wird das konservative, engstirnige männliche Ego zu hart angekratzt und ein Shitstorm ausgelöst. The Last Of Us Part II ist nicht das erste Spiel, das auf Grund eines starken weiblichen Charakters angegriffen wird (und wird auch leider nicht das letzte sein). Die Gaming-Community muss sich im allgemeinen gegen diese patriarchale Denkweise stellen und dringend die notwendigen Schritte nach vorne machen.
Dasselbe gilt für die Publisher und Spielentwickler. The Last Of Us Part II hat seine Mitarbeiter weit über die Grenzen gehen lassen. Siebentage-Wochen mit über zwölf Stunden Arbeitszeit sind in der Entwicklung großer Spieletiteln gang und gäbe, denn Ausnahme. Der Druck der Industrie und der Fans ist mit einem verkündeten Release-Datum wird extrem hoch. Auch wenn einige Publisher ihre Spieleveröffentlichungen verschieben, werden immer noch halbfertige Games auf den Markt geworfen, die wiederum Entwickler als auch Nutzer nicht zufriedenstellen. Der Druck des perfekten und makellosen Spiels lässt sich nicht leugnen. Bei The Last Of Us Part II soll das so weit gegangen sein, dass einige Mitarbeiter gar den Wunsch äußersten, dass das Spiel ein Flop werden sollte. Das Gegenteil trat ein, das Spiel verkaufte sich in den ersten zwei Tagen gleich vier Millionen Mal.
Die inhaltlichen Fragen
Rachegeschichten sind in der Film- und Spielegeschichte gern gesehen. The Last Of Us Part II schafft es im großen und ganzen auch eine schlüssigen Plot zu zeichnen, scheitert aber doch hin und wieder und das auch nicht minder massiv. Einige Fragen bleiben übrig:
Warum geben sich Joel und Thommy zu Beginn so schnell zu erkennen?
Im ersten Teil als Schwarzhändler übervorsichtig und nur ganz, ganz selten sich seiner Identität entblößend, geben sich die beiden Brüder Abby nach wenigen (aufregenden) gemeinsamen Minuten schon zu erkennen. Auch wenn die beiden in Jackson offenbar ruhiger wurden, ist manchem Spieler diese Charakterentwicklung zu platt und zu wenig schlüssig. Das abrupte Ableben setzt diesem Punkt die Krone auf.
Warum geht Ellie noch einmal los?
Alles wäre so schön gewesen. Nachdem Abby Ellie im Theater gefunden hat und ziemlich schonungslos Jesse erschoss, Ellie aber verschonte, wohnt Letztere zusammen mit Dina und dem mittlerweile geborenen JJ auf einer Farm ein ruhiges und friedliches Leben. Ein würdiger Epilog, würde man meinen. Bis der für den Spieler totgeglaubte, aber hinkende Thommy auftaucht und Ellie den aktuellen Standort von Abby verrät. Von Flashbacks geplagt will Ellie die Sache beenden und bricht trotz der damit verbundenen Trennung von Dina nach Kalifornien auf.
Das will man als Spieler nicht. Der Drang Abby zu töten lässt spätestens nach den mit ihr verbrachten drei Spieltagen nach. Man einigt sich innerlich auf ein Unentschieden – Ellie hat ihr fast alle Freunde genommen, Abby umgekehrt auch. Das „Verschonen“ von Abby Ellie gegenüber macht im Grunde genommen zwar wenig Sinn und erinnert ein wenig an das Nichtstun von Cercei Lannister an der Mauer Kings Landings gegenüber Daenerys, geht aber in Ordnung. Das Spielerherz kann damit umgehen.
Umso katastrophaler stellt sich das Ende heraus. Man hat einfach keine Lust mehr Abby zu suchen. „Ellie, lass es einfach“, geht ständig durch den Kopf. Ohne Rücksicht auf Verluste fängt man plötzlich an das Spiel laut zu spielen, also wenig aus dem Hinterhalt, sondern einfach vorne drauf los und unzählige NPCs zu killen. Nur um Abby und ihren Weggefährten Lev schlussendlich an Pfählen gefesselt vorzufinden und sie loszuschneiden. Das es hier noch einmal zum Fight kommt – grauenhaft. Zwischenzeitlich hatte man wirklich die Hände vorm Gesicht, weil man einfach nicht sehen wollte was passiert. Ellie verliert drei Finger, lässt Abby aber wieder ziehen. Ok cool. Dass Ellie durch den abermaligen Aufbruch sowohl Familie, als auch ihr geliebtes Gitarrenspiel verloren hat (ohne drei Finger an der linken Hand nur sehr schwer möglich), ist der Preis für den Nichtdurchbruch ihrer Gewaltspirale.
Warum muss auf einmal alles brennen und so lange dauern?
Das auf einmal eine ganze Insel brennt und nur noch Uncharted-Action vorherrscht, passt irgendwie gar nicht zu The Last Of Us. Aber gut, darüber kann man noch hinwegsehen. Warum aber so stark auf ein repetitives Gameplay gesetzt wird, bleibt unverständlich. Rechts hinten ist das gesuchte Haus, der Weg dorthin aber immer der gleich lange. Man wird das Gefühl nicht los, dass man hier einfach die Spiellänge strecken wollte.
Meisterwerk oder Flop?
Am Ende des 25 bis 35 stündigen Spiels ist der Spieler zunächst einfach fertig. Wieder einmal hat Naughty Dog eine unglaublich intensive und aufreibende Geschichte geschrieben, die zwar an manchen Stellen noch Luft nach oben hätte, dadurch aber auch in aller Munde bleibt. Es tut weh, wenn Joel stirbt. Die enorme Gewalt die hier gezeigt und ausgeübt wird, wird aber nicht stumpf angewandt, sondern immer in einen Kontext gestellt. Irgendwann mag man einfach nicht mehr. Genug getötet, lasst es doch einfach alle. Die vielen Briefe die man im Laufe des Spiels findet erzählen eigene fantastische Geschichten, ohne dass man die Erzähler je zu Gesicht bekommt.
The Last Of Us Part II ist wie ein Computerspiel im Jahr 2020 sein soll – ein interaktiver Kinofilm und ein interaktives Buch. Wer den Text gelesen hat und das Spiel noch nicht gespielt hat – sorry, es wurde vor Spoilern gewarnt. Wer es durchgespielt hat, darf und soll bitte mitdiskutieren, es reibt einfach immer noch auf.