Obwohl immer mehr Menschen freien Zugang zu einer Fülle an Informationen haben, teilen wir die Welt nur mehr in schwarz oder weiß ein. Eine differenzierte Mitte gibt es nicht mehr bzw. kommt sie in der öffentlichen Diskussion nicht mehr vor. Das ist höchstgefährlich, weil wir damit Menschen am Wegesrand der öffentlichen Debatte zurücklassen, die wichtige Multiplikatoren einer Problemlösung sein können. Was die bevorstehende Corona-Impfung betrifft sind viele Menschen verunsichert und die zunehmende Polarisierung befeuert diese Entwicklung.
Die österreichischen Impfkampagnen sprechen von „Der Impfung“ und propagieren, dass man sich „impfen lassen“ soll. Eine unfassbar komplexe Welt wird so einfach gemacht, dass sie zwischen den Fingern zerbröselt, wenn man sich traut tiefer in diese Welt einzutauchen. Gleichzeitig überfrachtet man die Menschen mit Detailinformationen zur neuen mRNA-Impfstoff-Technologie. Doch bis heute ist unklar wie viele Menschen in Österreich eigentlich mit einem dieser mRNA-Impfstoffe geimpft werden können und wie viele Menschen einen anderen Impfstoff bekommen.
Die vielversprechendsten Impfstoffe:
Derzeit haben nur zwei Impfstoffe in der EU und damit in Österreich eine Notfallzulassung bekommen. Das sind die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, die beide auf der neuen mRNA-Methode aufbauen. Die Wirksamkeit in den Studien war vielversprechend und liegt bei beiden Impfstoffen deutlich über 90 Prozent. Der Impfstoff von AstraZeneca (ein Vektorimpfstoff) erreicht derzeit eine Wirksamkeit von knapp über 70 Prozent und könnte der Impfstoff der breiten Masse werden, weil er deutlich billiger ist, weil er nicht so stark gekühlt werden muss, damit leichter lagerfähig ist und weil er schneller, in höherer Stückzahl zur Verfügung stehen würde. Noch hat AstraZeneca allerdings keine Zulassung erhalten und wird unter Umständen nur eine „gesonderte“ Notfallzulassung für Menschen unter 55 Jahren bekommen. Das in Kombination mit vereinzelten Problemen bei den Studien zur Wirksamkeit stärkt nicht gerade das Vertrauen in den „Impfstoff der Masse“.
Offene Fragen:
Fakt ist, es gibt vieles was wir derzeit nicht wissen und das ist auch gut so. Es ist der Kern wissenschaftlichen Forschens und Arbeitens, dass sich Annahmen als falsch herausstellen, widerlegt werden und daraus Verbesserungen und Fortschritte entstehen. In der Wissenschaft nennt man das „Falsifizierung“. Etwas ist nur so lange gültig, bis jemand beweisen kann, dass es falsch ist. In den ersten Wochen und Monaten ist man davon ausgegangen, dass die Impfungen von Biontech/Pfizer und Moderna keine sterile Immunität herstellen. Jetzt gibt es erste zarte Hinweise, dass diese Annahme falsifiziert werden kann. Eine sterile Immunität ist definitiv eine Trumpfkarte in einer Pandemiebekämpfung, weil sie eine Weitergabe des Virus an andere Menschen unterbindet. Ganz sicher wissen wir aber noch nicht, ob eine sterile Immunität nach Impfung mit den zugelassenen Impfstoffen vorliegt. Es ist verständlich, dass viele Menschen zurückhaltend auf die neuen Impfstoff-Technologien reagieren. Diese Zweifel wird man nicht mit einem schlichten „Impfen ist wichtig“ zerstreuen können und auch das ist gut. Es ist eben nicht immer als schwarz oder weiß. Nicht jeder ist ein Impfgegner oder ein Impfbefürworter.
Was wir auch noch nicht wissen ist, wie viele weitere Impfstoffe in den kommenden Monaten eine Zulassung bekommen werden. Eventuell wird es im Herbst 2021 verschiedene Impfstoffe geben, die auf jeweils unterschiedlichen Impfstoff-Technologien basieren.
Was muss jetzt passieren?
Zwischen strikten Impfgegnern und strikten Impfbefürwortern gibt es zahlreiche Menschen, die überfordert sind und sich in der aktuellen Debatte gar nicht vertreten fühlen. Ein schlichtes Pro oder Contra wird der Komplexität unserer Zeit nicht gerecht. Nicht jeden Zweifel kann und muss man im Keim ersticken, nicht jeder Mensch der zweifelt ist ein „Verschwörer“. Vielleicht haben diese Menschen einfach noch zu viele Fragen, die bislang niemand beantworten konnte. Vielleicht geht es diesen Menschen so wie mir. Ich will mich impfen lassen und werde mich impfen lassen. Ich weiß nur noch nicht wann und es ist mir eben nicht egal, mit welchem Impfstoff das passiert. Wenn ich wochenlang erklärt bekomme, wie toll der mRNA-Impfstoff ist und nur in einem Nebensatz erfahre, dass ich in den kommenden Monaten eher nicht mit diesem Impfstoff geimpft werden kann, macht es meine Entscheidung nur schwieriger. Mir ist vollkommen klar, dass es jetzt schnell gehen muss, aber die Qualität der Impfstoffe muss an erster Stelle stehen und Zweifel müssen ausgeräumt werden.