Die Kunst des Maurizio Cattelan verhilft auch Tirol zu einem millionenschweren Selbstbewusstsein.
Das Kunstwerk des Jahres ist eindeutig die Installation einer Banane an der Wand. Der gebürtigen Paduese Maurizio Cattelan hat es in New York längst zum Kunstmillionär gebracht.
Zumindest sein wichtiges Werk „Comedien“ (Banane an der Wand) hat ihm 6,2 Millionen brutto auf das Konto gespült, als das Werk bei einer Auktion sinnigerweise von einem chinesischen Krypto-Millionär ersteigert werden konnte.
Die Bedeutung des Kunstwerks, von dem es drei zertifizierte Stück geben soll, zeigt sich auf so gut wie allen Ebenen des Kunst- und Netzmarktes.
– es ist vergänglich, und muss alle drei Tage ersetzt werden
– es ist biologisch, wenn die Banane biologisch ist
– es ist synthetisch, wenn man das vorgeschriebene silbrige Gaffa-Tape verwendet
– es ist transportabel, weil es überall eine Wand gibt
– es ist authentisch, weil mit der Versteigerung ein Zertifikat vergeben worden ist
– es ist metaphysisch, weil es nicht einmal durch pure Ironie erschlossen werden kann
– es ist demokratisch, weil sich jeder Mensch auf der Welt eine Banane an die Wand kleben kann
Dieser letzte Aspekt spielt vor allem in Tirol eine große Rolle, weil man mit dieser Installation die Bedürfnisse des Tourismus elegant befriedigen kann.
Der Tourismus ist ja nach Marketing-Lesart nichts anderes als eine in die Landschaft oder aufs Hotelzimmer geklebte Banane.
Ein künstliches Schneeband von den Kanonen in die Landschaft gesintert ist nichts anderes als eine Banane, die alle drei Tage erneuert werden muss.
Der Tourist ersteigert sich Teilhabe an dieser Landschaftsbanane, indem er sie anglotzen und und ihrem Verwelken zusehen darf.
Denn der ironische Blick auf das künstliche Fun-Werk ist der einzige Sinn, der diesen Installationen innewohnt.
Insofern lässt sich die alte These der Touristenmacher bestätigen: Tourismus ist ein Kunstwerk, worin Werte zu Wünschen ausformuliert sind.
Was sich der Tourist tagsüber auf der Bananenpiste als gewünschten Wert zu erfüllen versucht, hängt ihm das Hotel am Abend an die Wand über das Bett, indem im Dirndlmuster bananenförmige Almrausch-Vignetten über der Tuchent aufgespannt sind.
Merke, der Gast zahlt nicht für das Bett, sondern für die Installation des Schlafambientes.
Rechnet man die künstlichen Landschafts- und Schlafbananen hoch, die täglich in Tirol an der Börse versteigert werden, übertrifft man Cattelans Börsenwert bei weitem.
Denn an der Tourismusbörse gilt: Die Bananen in Tirol sind die witzigsten, teuersten und alpinsten auf der Welt! – Und Weltniveau hat bekanntlich seinen Preis.
STICHPUNKT 24|97, geschrieben am 02.12.2024