Während in gewöhnlichen Ländern einfach am Kalender die 24 auftaucht und Weihnachten auslöst, fiebert Tirol diesem Peak an Emotionen und Konsum in drei Schritten entgegen.
Erster Schritt
Die Schneekanonen werden angeworfen. Oft werden schon im September die Depots für das Schnee-Harvesten ausgeräumt.
Obwohl der Schnee des Vorjahres ziemlich streng riecht, finden vor allem Hunde daran gefallen, die Spuren aus der Vergangenheit wieder aufsuchen zu dürfen.
Dieses vorweihnachtliche Programm richtet sich vor allem an Hundeliebhaber, sowie Sportler mit stark ausgeprägter Schnauze, auf die sie an aperen Stellen fallen.
Zweiter Schritt
Glühstandeln werden hochgefahren. Alles was breit ist wie ein Brett, dient als Unterlage zum Abstellen von Sauerkraut und Glühwein.
Diese beiden geruchsintensiven Speisen werden nach einer gewissen Zeit am Boden des Brettes als Kotze abgelegt.
Interessanterweise riecht das Genussmittel oben am Brett und unten am Boden gleich streng.
Dritter Schritt
Die Krippen werden aus den Depots geholt und aufgestellt.
Feuerpolizeilich gelten diese Krippen als Sprengstoff erster Klasse, weil sich das Arrangement aus Figuren und Gestellen jederzeit durch bloßen Blick entzünden kann.
Wenn die Krippe den Vorschriften des Brandschutzes erfüllt, oft genügt ja ein Feuerlöscher oder Defibrillator in Reichweite der Installation, muss freilich noch der pädagogische TÜV bestanden werden.
Da es sich bei der Krippe um ein didaktisches Gesamtkunstwerk handelt, müssen alle gängigen Richtlinien einer sauberen Pädagogik eingehalten werden.
Die weibliche Hauptfigur soll keine Geschlechtsmerkmale aufweisen, da sie sonst nicht in einem gender-offenen Sprachsetting durchgeht. Sprachlich sauber sprechen wir von einer „Marienden Figur“.
Die männliche Hauptfigur sollte keine Andeutungen von Ausbuchtungen zwischen den Beinen aufweisen, wie wohl die Figur als Phantom-Vater an Phantom-Schmerzen am Genital zu leiden hat. An der oft grob geschnitzten Figur sind die Hände jedenfalls tunlichst in Kopfhöhe anzubringen, um masturbierende Konnotationen zu vermeiden.
Die kleine Hauptfigur im Zentrum kann ruhig etwas adipös ausfallen, muss aber sonst unbedingt geschlechtsneutral dargestellt werden, da dem geschnitzten Kind noch nicht klar ist, welche Mission und welches Geschlecht es später ausüben wird.
Das Stroh sollte bio sein und gegen Feuer imprägniert.
Auch bei den sogenannten Begleittieren werden oft Fehler gemacht, indem man Ochs und Esel auf Spaltböden stellt.
In einem Extremfall aus Osttirol sind beide Tiere angeleint angetroffen worden.
Ein Herdenschutzzaun umgibt die Schafherde, sofern sie noch vorhanden ist. Denn selbstverständlich muss auch ein Wolf auf das Ambiente, da sonst die ganze Krippe nicht EU-zertifiziert werden kann.
Eine PV-Anlage auf dem Scheunendach ist obligat, damit sich das Publikum darauf verlassen kann, eine echte Tiroler Krippe anglotzen zu dürfen.
STICHPUNKT 24|99, geschrieben am 04.12.2024