Bayern macht schon seit einiger Zeit relativ unbehelligt und -bemerkt in Whisky. Das irritiert. Seit wann hat man denn im Freistaat auch nur das Geringste für Flüssigkeiten mit weniger als drei und mehr als acht Volumenprozent übrig? Ja, möchte man sagen, das sind eben die Auswüchse der kulturellen Globalisierung, ähnlich wie California Rolls oder Pizza-Burger (oder, wie es in der FAZ besonders böse hieß: „Ein Koran im Vatikan“. Im besten Fall gut gemeint, aber irgendwie ein bisschen daneben.
Ein Geheimtipp in den bayerischen Highlands
Was der schlecht informierte Laie dagegen nicht weiß: SLYRS’ Single Malt mit Sherry-Finishing wurde 2014 zum besten Single Malt Europas gekürt. Nicht dass damit das letzte Wort gesprochen wäre, aber wenn die Schottenlobby einmal so erbärmlich versagt muss die deutsche Konkurrenz doch ernst zu nehmen sein.
Die Frage ist nur: Wie ernst kann man SLYRS wirklich nehmen, wenn man doch ein bisschen Wert auf Konventionen legt (Whisky braucht Torf und Meerluft und gedeiht nur dann richtig, wenn der Distiller bei der Arbeit gälische Volksweisen singt…)?
Zunächst einmal ist man schon auf der Anreise sehr schön eingestimmt, wenn Oberbayern, wie im Winter oft üblich, in Nebel und Melancholie versinkt – dann scheinen die Highlands gar nicht mehr so fern zu sein. Davon abgesehen, und das ist natürlich noch wichtiger, kennt der Bayer den Rohstoff für die Whiskyproduktion wie die eigene Lederhosentasche – deshalb braucht SLYRS die wesentlichen Zutaten auch nicht zu importieren, sondern kann klimafreundlich auf regionale Gerste zurückgreifen. Torf allerdings findet man rund um den Schliersee eindeutig zu wenig, und daraus ergibt sich auch das große Alleinstellungsmerkmal von SLYRS: Geräuchert wird über Buchenholz, das sorgt, so heißt es in der Führung, für ein sehr subtiles und weiches Raucharoma. Eine solche Führung empfiehlt sich übrigens ganz klar, zumindest wenn man, wie ich, nicht viel Ahnung vom Destillieren hat; da geht es dann ungefähr eine Stunde lang mit einer solchen Akribie um Räuchergrade, Verplombung und Alkoholsteuer, dass man wirklich nach dem ersten Glas lechzt.
Die Produktionsstätte ist aber architektonisch schön und auch das Werkzeug (große Kupferkessel) entbehrt nicht einer gewissen Ästhetik – man kann sich bei SLYRS wirklich sehr wohlfühlen und zwischendurch fast vergessen, dass man sich doch nur am bloody continent befindet, weil alles so stilecht wirkt.
Auch wenn SLYRS, so wird jedenfalls gemunkelt, eigentlich das Ergebnis einer ganz banalen oberbayerischen Wette ist, wird er heute mit einer Präzision und Hingabe produziert, die so manche etablierte Brauerei in der Nachbarschaft reichlich blass aussehen lässt. Es wird wohl gerne experimentiert, insbesondere mit verschiedenen Finishings, also der Reifung in gebrauchten Sherry-, Port- oder sonstigen Weinfässern, aber das mit sehr viel Respekt vor der Tradition und einem hohen Qualitätsanspruch.
Und probieren darf man auch?
Die Whisky-Connaissance ist eine bierernste Angelegenheit, das ist nach der mehr als informativen Führung jedenfalls deutlich geworden. Für die Whisky-Verkostung gilt aber selbstverständlich dasselbe wie für jeglichen Alkoholkonsum: Die Stimmung wird umso schneller heiter, je besser die Gesellschaft ist, und spätestens nach der 10. verkosteten Sorte lacht man dann über jede Kleinigkeit wie der Schotte über David Cameron und es schleicht sich ein bisschen verwaschenes Glaswegian in die Intonation. Aber auch das wird ohne Wimpernzucken geduldet, schließlich ist ein angesäuselter Kunde auch ein sehr kauffreudiger Kunde, und seit die Ein-Mann-eine-Flasche-Regel vor einigen Jahren aufgegeben wurde, darf man sich im Shop tüchtig für die Fortsetzung im trauten Heim eindecken.
Die Frage, die dem werten Leser jetzt natürlich auf der Zunge liegt wie hochwertiges Torfaroma: Ist SLYRS denn auch wirklich trinkbar? Nein, nicht nur trinkbar, sondern sogar ganz exquisit, und wer sich das nicht gerne von einer Frau erzählen lässt, dem wird hoffentlich die Begeisterung der sehr versierten männlichen Verkostungsteilnehmer Beweis genug sein.
Es empfiehlt sich unbedingt, vor dem Kauf reichlich zu probieren, weil die verschiedenen Sorten, insbesondere die mit Finishing, in Aroma und Schärfe recht stark variieren. Wenn man die Gelegenheit bekommt sollte man jedenfalls unbedingt vom 12-jährigen Single Malt, der am Markt nur von Zeit zu Zeit erhältlich ist kosten, aber vom Alpine Herbs Liqueur eher die Finger lassen – da wird die Inkulturation dann doch ein bissl weit getrieben. Auch der ganz „gewöhnliche“ Single Malt ohne Firlefanz ist ausgesprochen köstlich, von den Sorten mit Finishing schmeckt der im Marsala-Fass gereifte besonders fein. Wer besonders hart im Nehmen ist kann sich zum Abschluss noch einen Schluck „Raritas Diaboli“ zu Gemüte führen, der tatsächlich kaum weniger als 66,6 % Vol. hat, dafür aber äußerst weich schmeckt – zum Teufel und den Engeln pflegt der Distiller ja bekanntlich ein ausgesprochenes Nahverhältnis.
Fazit
Für einen Tagesausflug der besonderen Art bietet sich SLYRS jedenfalls an; wer sich noch ein bisschen gedulden kann wird nach dem geplanten Umbau auch die Möglichkeit haben, den frischen Suff im angeschlossenen Café auszusitzen. Auf die Führung (für eine Gruppe von bis zu 10 Personen um 60,- zu haben) kann verzichten, wer sich mit der Whisky-Produktion auskennt und lieber gleich zum Verkosten übergehen möchte – unterhaltsam ist sie aber in jedem Fall.
Ist SLYRS nicht trotzdem eher ein Nischenprodukt für Spinner? Schließlich bekommt man in jedem Supermarkt um einiges billigeren, „echten“ Scotch zu kaufen, der seinen Zweck auch erfüllt. Nein! Es ist vielmehr so, dass die Destillerie wirklich zur Aufwertung des Alpenraumes beiträgt, weil sich hier Traditionsbewusstsein und Weltoffenheit auf eine selten sympathische und zurückhaltende Art und Weise die Hand reichen. Das könnten wir Tiroler uns ruhig ein bisschen zum Vorbild nehmen. Und erstmal reichlich Whisky trinken, um auf den Geschmack zu kommen.
Fakten
Für alle Neugierigen:
SLYRS ist in nächster Nähe des oberbayerischen Schliersees (in der Gemeinde „Schliersee“) gelegen. Vom Oberland aus bietet sich die schönere Anreise über Garmisch an, von allem, was östlich von Zirl gelegen ist kommt man über Kufstein schneller ans Ziel. Die 1999 gegründete Destillerie ist zwar klein, aber dafür sehr fein und deshalb auf jeden Fall einen Besuch wert.
Hierzulande ist der gute Stoff auch eher schwer zu erwerben, aber die Bestellung über Amazon Marketplace oder den Online-Versand „Weinundbar“ ist in jedem Fall möglich. Dafür produzieren die Firmen „Tiroler Bier“ mit Sitz in Innsbruck, „Edelbrennerei Franz Kostenzer“ am Achensee sowie „Starkenberger“ in Tarrenz ihren jeweils eigenen Single Malt. Den haben wir vom AFEU allerdings noch nicht verkostet – deshalb: Freiwillige vor!