Händewaschen ist nur etwas für Privilegierte. Seit ich das weiß, tue ich es zwar gleich häufig wie zuvor, aber bewusster. Wenn ich meine Pratzen, dreckig von all dem Staub, dem Dreck der Stadt, so unters laufende Wasser halte, schaue ich sie mir gerne genauer an. Und dann denke ich mir – wie viele Menschen ihre Hände wohl genauer kennen? 26 Jahre waren sie täglich für mich da, haben mich als Kleinkind die Welt ertasten lassen, mit mir gemeinsam die ersten Buchstaben und Worte geschrieben, mir bei der Matura ganz entscheidend weitergeholfen, mich auf die Uni gebracht, mir Türen geöffnet, Partnerinnen gehalten und Zärtlichkeiten verteilt. Klein sind sie. Fein. Fast weiblich. Ich muss schmunzeln. Meine Eltern und Lehrer haben mir immer weiß machen wollen, dass Arbeiterhände anders aussehen. Dabei arbeite ich doch, täglich. Ich bin dankbar für meine Hände, für jeden einzelnen Finger, für jede Narbe, für jede Falte, für jeden Schweißtropfen. Ich bin wirklich dankbar dafür, denn meine Hände sind weiß.
Händewaschen ist nur etwas für Privilegierte. Für all jene die das Glück hatten irgendwo in den geborgenen Schoss Europas auf die Welt zu fallen und noch privilegierter und freier, wenn das durch Zufall in einem Körper, überzogen mit weißer Haut, geschehen ist. Denn dann ist es uns möglich, einfach so den Wasserhahn aufzudrehen, fließendes Wasser zu erleben und das eben nicht dürstend, nach jedem wertvollen Tropfen lechzend, sondern uns in aller Ruhe den Schmutz des Tages von den Händen zu waschen. Für dieses Privileg ist es ein denkbar kleiner Preis, sich dabei einmal seine eigenen Hände genauer anzusehen. Sich seines Glückes bewusst zu werden und zu verstehen, dass dies eher die Ausnahme, denn die Regel ist. Zu begreifen was diese Hände schon geleistet, wie viel wir ihnen zu verdanken haben und einmal nachzudenken wie es anderen Händen auf dieser Welt wohl so ergehen mag.
Händewaschen ist nur etwas für Privilegierte. Wenn wir also die Möglichkeit dazu haben, tun wir es beim nächsten Mal mit einem Lächeln im Gesicht, Dankbarkeit in der Brust und erzählen wir dies unseren Kindern, wenn sie sich wieder einmal dagegen wehren. Denn Hände können nur gewaschen werden, wenn sie Zeit dafür haben und nicht in jeder Sekunde ums nackte Überleben, um den nächsten Bissen, den nächsten Schluck und Tag kämpfen müssen. Händewaschen ist ein Privileg. Doch es liegt in unseren Händen, dass Händewaschen nicht nur etwas für Privilegierte bleibt!