Flüchtlingsbetreuung in Innsbruck: Eine tragische Reise in das Reich des Dilettantismus

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III. Jede Äußerung eines politischen Vertreters der Regierungsparteien zum Flüchtlingsthema zeigt ganz klar, wie tief die Angst vor dem hasspostenden Mob innerhalb der politischen Klasse zu sein scheint. Auch im Zuge meiner Recherchen stieß ich auf diese Angst, und drei kleine Episoden sollen dies veranschaulichen:
Einerseits wollte ich ein Statement von Helmut Bachmeier, er ist Leiter der sozialen Dienste GmbH., die, wie bereits gesagt, die Tennishalle betreibt und betreut. Ich schrieb ihm dazu persönlich ein Mail, sowie auch an die Abteilung Soziales. Nach einer Woche schrieb mir ein Kollege von ihm, der seine Antwort mit der Bitte einleitete, „sämtliche Daten, die Sie in diesem Zusammenhang veröffentlichen, in schriftlicher Form (PDF, Word etc.) an mich zu übermitteln“, und künftig nur noch ihm zu schreiben. Helmut Bachmeier schrieb mir nie.
Zudem wollte ich natürlich auch von der Bürgermeisterin ein Statement, denn dieser Artikel lässt viele Fragen offen: Wie lange wird die Tennishalle noch betrieben? Was macht man im Winter mit den Flüchtlingen? Wieso nun überhaupt eine Tennishalle? Nachdem ich ein Mail mit diesen und weiteren Fragen an die Bürgermeisterin verschickte, kam am nächsten Tag prompt ein Anruf der Leiterin des Bereiches Kommunikation und Medien. Ich bekam eine Menge alter Presseaussendung, aber keine neue Antworten.
Für viele, auch in linken Parteien tätige Politiker ist das Thema Asyl immer noch ein rotes Tuch. Kaum einer traut sich, offen darüber zu sprechen. Das bewirkt aber nur, dass die Deutungshoheit rechter Parteien sich immer weiter festigt. Der Diskurs wird immer tiefer, Hetze qualitativ schlimmer und breiter, Alltagsrassismus immer alltäglicher. Wer zwar gegen den rechten Mainstream handelt, aber die Erfolge nicht als solche kommuniziert, spielt dieses Spiel genauso mit.
Auch dazu gibt es nämlich eine Geschichte. In Innsbruck besteht seit kurzem eine weitere temporäre Unterkunft, deren Existenz trotz ihrer Erfolgsgeschichte ein gut gehütetes Geheimnis ist, so gut, dass nicht mal ich davon wusste, als ich die Aufzählung zu Beginn dieses Artikels schrieb (es dürfte vielleicht sogar noch mehr Unterkünfte dieser Art geben). Seit Anfang Mai sind im Heim am Hofgarten Flüchtlinge untergebracht, nachdem die Bürgermeisterin durch rasches und entschlossenes Handeln die Adaption dieser Unterkunft gegen Widerstände des Bundes durchgesetzt hat. Das Heim war innerhalb einer Woche renoviert und bezogen. Allein, dieser Erfolg wurde ganz bewusst nicht öffentlich kundgetan. Die Eröffnung jedes billigen Möbelhauses wird mehr vermarktet als die Schaffung und der Bezug einer neuen Flüchtlingsunterkunft. Es gab dazu Presseaussendung, kein Event mit Buffet, nicht mal einen Eintrag auf der Homepage der Sozialen Dienste. Kurz: Nichts.
Dieses Nichts steht für so vieles, dass es sich sogar als Fazit für diesen Artikel eignet. Es ist kein Nichts in dem Sinne, wie man auf eine Frage der Art „Was ist passiert? – Nichts“ antworten wird, sondern eher als ein Nichts im Sinne Sartres, ein sehr vielsagendes Nichts. In der Frage der Flüchtlinge gilt, so scheint es, dass wenn nichts berichtet wird – wie über die viele mutige Einzelpersonen, engagierte Helfer und großzügige Spender, in Wahrheit viel dahinter steht. Zugleich ist das Nichts ein Problem, denn das Agieren im Stillen ist auch dafür verantwortlich, dass vorherrschende Deutungsweisen von Asylpolitik nicht in Frage gestellt werden. Das Nichts ist somit auch ein Mittel der Politik, einer rechten Politik, mit der sich der Staat aus seiner Verantwortung drückt. Es gilt daher einmal mehr, die Wurzel des Problems anzupacken, wenn es eine bessere Asylpolitik geben soll. Das kann man auch auf lokaler Ebene tun. Ein Anfang wäre, Erfolge und mutiges Handeln wie im Fall des Heims am Hofgarten, stärker öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Es bringt nichts, das richtige zu tun, und das nicht zu kommunizieren, denn so entsteht der Eindruck, als würde man sich dafür schämen. Doch nur, wenn man klar macht, dass mit einer humanen Politik gegenüber Flüchtlingen nichts zum Schämen gibt, sondern umgekehrt eine ausschließende Geisteshaltung das ist, wofür man sich schämen sollte, wird man es schaffen, dem rechten Flügel die Deutungshoheit zu nehmen und die menschenverachtenden Einstellungen auszumerzen, die im Moment omnipräsent sind.
Noch eine Anmerkung zum Schluss: Diesen Artikel habe ich zwischen 24. und 26. August verfasst. Bestimmte Dinge wie die Situation in Ungarn oder die beiden Solidaritätskundgebungen in Innsbruck wurden daher hier nicht erwähnt. In diesen zwei Wochen hat sich die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung deutlich gesteigert, aber die Kernaussage dieses Artikels – dass es eine immense Diskrepanz zwischen dem Handeln politisch Verantwortlicher und der Zivilgesellschaft gibt – hat sich vielleicht sogar noch erhöht.

Titelbild: Sebastian Müller

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