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ASVG Hurra!

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Sir Karl Popper hat den Sozialstaat als die wichtigste gesellschaftliche Leistung des zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet. In diesem Zusammenhang ist für mich der 1.1.1956 einer der wichtigsten Tage für Österreich. Warum? An diesem Tag ist das ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) in Kraft getreten. Dieses monumentale Regelwerk ist eines der Fundamente des sozialen friedlichen Österreichs. Ich habe mich berufsbedingt intensiv damit beschäftigen müssen und der große Geist, der in diesem Gesetzeswerk steckt, nötigt mir höchsten Respekt ab. Die Architekten dieses Gesetzes hatten anscheinend ihre Lektion aus den Dreißigerjahren gelernt. Nicht Hass, nicht Verachtung Andersdenkender bringen eine Gesellschaft weiter, sondern Zusammenhalt und Solidarität.

Das ASVG regelt, wie es so hölzern im Text heißt, die „Wechselfälle des Lebens“: Krankheit, Alter, Invalidität.

Manchmal, denke ich mir, dass ein ASVG in heutiger Zeit nicht mehr möglich wäre. Dabei habe ich die Diskussionen rund um die Pflegeversicherung im Kopf. Im ASVG wird, was die Beitragsaufbringung betrifft, das Modell der Lastenteilung zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber verfolgt: halbe-halbe für beide Teile (auch wenn das inzwischen immer mehr verwässert wird). Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Finanzierung in dieser Form heute möglich wäre. Aber auch andere Errungenschaften wie der Versicherungsschutz ohne Gesundheitsprüfung, beitragsfreie Mitversicherung etc., wären heute kaum durchsetzbar.

In den letzten Jahren hat vor allem die „Gesundheitsökonomie“ unser Gesundheitswesen immer mehr bestimmt. Dabei ging es, wie das Wörtchen „Ökonomie“ ja genau vermittelt, vor allem um Einsparungen. Vor Corona haben solche Ökonomen (Marin, Pichlbauer, auch der Rechnungshof) immer eine massive Umgestaltung unseres Gesundheitssystems gefordert, mit dem Ziel, die „Effektivität“ zu steigern. Milliarden wären da zu holen, hieß es. Eine massive Reduktion der Betten in den Krankenhäusern wurde unentwegt gefordert. Gott sei Dank wurde das von politischer Seite nicht umgesetzt.

Eines ist für mich klar und war es auch immer: wenn wir weiterhin ein funktionierendes, auf dem heutigen Niveau stehendes Gesundheitssystem haben wollen, dann hat das seinen Preis. Und damit basta. Mit Einsparungen wird das jedenfalls nicht funktionieren, das muss uns klar sein.

Elias Schneitter, geboren und aufgewachsen in Zirl/Tirol. Lebt in Wien. Erste Publikationen ab 1976, vorwiegend in Literaturzeitschriften (Fenster, Rampe, Wespennest, Kolik, Literatur und Kritik, protokolle, etc...) und Hörspiele im Rundfunk. Zur persönlichen Website
Mitbegründer und Kurator des internationalen Literaturfestivals "sprachsalz" (www.sprachsalz.com) in Hall Tirol. Zur Sprachsalz Website
Leitung der "edition-baes" - Zur Website, wo der Schwerpunkt auf US-amerikanische Underground Literatur gelegt wird.

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