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Wer sind denn diese Gegner, Leugner & Skeptiker?

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Unser bedeutender Kanzler, Kurz I. „der Große“, hat jüngst, ganz Staatsmann, dazu aufgerufen, die Gräben in der Gesellschaft zuzuschütten, die vorher nicht zuletzt unter seiner kräftigen Mitwirkung aufgerissen worden sind.

Ich will ihm gerne dabei behilflich sein, man soll ja immer dort helfen, wo Not am Mann ist. Nur – wie nemmen ma ihm denn? Wo fangen wir an mit dem Zuschütten? Vielleicht müßte man zunächst eine Art Bestandsaufnahme, eine Gruppeneinteilung vornehmen. Denn wer sind denn all diese Impfgegner, Coronaleugner und sonstigen Skeptiker?

Wenn ich in meiner Bekanntschaft um mich schaue, so gehören sie den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen an und sind auch meinungsmäßig nicht homogen. Zum Teil sind es einfach Leute, die es nicht gern haben, wenn man ihnen ohne hinreichende Begründung etwas befiehlt. Gerade heute vormittag wurde mir das Tondokument einer französischen Krankenschwester vom Radio übermittelt, die sich nicht zur Impfung zwingen lassen will und lieber ihren Job verliert: „La liberté avant tout!“ sagte sie, typisch französisch voller Pathos, „die Freiheit geht über alles!“

Eine Bekannte sagte mir gestern, sie habe sich impfen lassen, weil ihr Mann die Woche über in München arbeitet; während des großen Zugesperres gab es deshalb eine Phase, wo sie sich neun Wochen am Stück nicht mehr sehen konnten. Das wäre also die vermutlich recht große Gruppe der geimpften Skeptiker.

Eine andere kommt aus Rumänien und ist 24-Stunden-Pflegerin. Sie hat sich impfen lassen, weil sie mußte, und ist ansonsten der Meinung, daß vieles von dem nicht stimmt, was man ihr erzählt. Ihr Mann ist schon Pensionist, er wird sich nicht impfen lassen, er ist der gleichen Meinung wie seine Frau, drückt sich dabei aber anscheinend viel gröber aus.

Andere wieder meinen, wenn man über die Impfung etwas mehr wüßte, könnte man drüber reden, aber so –

Und so weiter, man könnte endlose Varianten (oder Mutanten?) von Zweiflern aufzählen. Dabei kenne ich persönlich eigentlich keinen dieser sagenumwobenen Verschwörungstheoretiker, vielmehr handelt es sich bei der angesprochenen Gruppe um durchwegs ziemlich normale Leute. Es sind auch keine Umstürzler darunter, eher solche, die üblicherweise versuchen, ihren kleinen Beitrag zum Gelingen des großen Ganzen zu leisten.

Genaugenommen muß ich diese Idee, sich eine Übersicht über die ganzen Skeptiker u.dergl. zu verschaffen, auch schon wieder ins Reich der Schnapsidee verbannen und auf der Stelle zurücknehmen. Denn das würde zwangsläufig zum Erstellen einer Datei führen oder beitragen, in der die Querulanten alle sauber aufgelistet und beliebig nach speziellen Charakteristika geordnet aufgerufen werden können. Oder gibt es diese Datei nicht schon längst? Heißt sie zufällig Facebook? Aber bevor uns noch jemand unter der Gruppe der Verschwörungstheoretiker einordnet, lassen wir auch diese Überlegung aufs Schnellste wieder hinter uns. Schönen Abend noch.

Walter Klier, geb. 1955 in Innsbruck, lebt in Innsbruck und Rum. Schriftsteller und Maler.
Belletristik, Essays, Literaturkritik, Übersetzungen, Sachbücher. Mitherausgeber der Zeitschrift "Gegenwart" (1989—1997, mit Stefanie Holzer). Kommentare für die Tiroler Tageszeitung 2002–2019.
Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a.: Grüne Zeiten. Roman (1998/Taschenbuch 2014), Leutnant Pepi zieht in den Krieg. Das Tagebuch des Josef Prochaska. Roman, 2008. Taschenbuch 2014). Der längste Sommer. Eine Erinnerung. 2013.
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