Ist Ihnen auch die geschlechterspezifische Beinstellung bei den TV-Nachrichtensendungen, seit sie im neuen Studio stehend moderiert werden, aufgefallen? Die Männer präsentieren sich breitbeinig und sicher, die Frauen balancieren mehr oder weniger schwankend auf schmal gesetztem Stand- und Spielbein, noch verschärft durch hohe Stöckelschuhe. Sozusagen die einen lebende Ausrufe-, die anderen veritable Fragezeichen.
Auch Politiker präsentieren sich am liebsten so vor Kamera und Publikum: Je breitbeiniger, desto mächtiger. Den Politikerinnen sind da leider enge Grenzen gesetzt. Es schickt sich nicht, als Frau so viel Raum einzunehmen. Auch lassen enge Röcke und hohe Absätze das nicht zu. Stöckelschuhe machen uns zwar größer, aber im Gegenzug leiden Standfestigkeit und damit Machtanspruch.
Bei der breitbeinigen Power-Pose ging es wohl ursprünglich gar nicht primär um Macht. Es ist einfach ein Überbleibsel uralten sexuellen Imponiergehabes. Den Frauen dagegen wurde über Generationen hinweg eingetrichtert, dass Breitstand und Anstand unvereinbar seien. Selbst in der höchsten Position darf eine Frau niemals die Beine breit machen. Hochrangige Damen, deren einzige Lebensberechtigung früher im Austragen von Kindern mit gesicherter Vaterschaft bestand, wurden ja immer schon physisch mittels Kleidungsvorschriften, Foltergürteln, Damensätteln und moralischen Werkzeugen – zumindest in der Öffentlichkeit — sexuell kasteit. Ab dem bürgerlichen 19. Jahrhundert wurde dann auch der großen Mehrheit der Frauen jegliche möglicherweise erotisch konnotierte Körperhaltung ausgetrieben, die Röcke wurden für alle enger und die Schuhe höher. Schön anzuschauen für paarungs- und möglichst auch heiratsaffine Männer, aber äußerst unbequem für die Frauen.
Verschämt klemmte man die Beine zusammen, verbog sich und das Fragezeichen wurde zur einzig richtigen weiblichen Lebenshaltung. Kein Wunder, dass Freud viel Material für seine Studien bekam. Bequeme Röcke, von Hosen ganz zu schweigen, also alles, das einen sicheren breiten Stand erlaubt hätte, trugen bestenfalls Arbeiterinnen, Bäuerinnen und ein paar Suffragetten. Sogar in den frühen 60-er Jahren des vorigen Jahrhunderts bedurfte das Tragen von Hosen für Frauen hierzulande noch einer Erklärung. Ich bekam als Mädchen meine erste lange Hose von den Eltern nur bewilligt, weil von einem wochenlangen Gips ein Bein unansehnlich dünn geworden war. Kaum 3 Jahre später, mit der 68-er Jugendrevolte und dem Ende einer Ära totaler sexueller Verklemmtheit, fiel dann gottlob auch das Hosenverbot und wir trugen plötzlich Hotpants und Minirock und bewegten uns eine Zeitlang gänzlich ungeniert. An der geschlechterspezifischen Grundhaltung scheint das dann allerdings nicht dauerhaft etwas geändert zu haben.
Doch zurück zu den Politiker-Auftritten: Da wird von gewissen Herren vor den Kameras ideologische Standfestigkeit (man könnte es auch Unbeweglichkeit, Anpassungsunfähigkeit, bornierte Sturheit nennen) zurzeit gerade wieder einmal extrem breitbeinig demonstriert: Wir bleiben standhaft! Wir bestehen auf unserem (egal wie überholten) Standpunkt! Wir stellen unseren Mann! Es erinnert an die typische Duellszene in alten Western: Am einen Ende der Straße stellt sich einer breitbeinig hin, zieht den Colt und — „Peng! Peng!“ (wahlweise auch: „Zackzack!“) — fällt der Gegner am anderen Ende tot um. Nur dass dort jetzt oft gar keiner steht. Und wenn doch, ist es ein armes Würstchen ohne Waffe, eine Frau aus Afghanistan oder eine Naturkatastrophe, jedenfalls kein brauchbarer Gegner für Helden.
Und warum sollte ein Politiker überhaupt wochen- und monatelang, ja sogar über Jahre hinweg, kampfbereit am immergleichen, von Pappkulissen gesäumten Fleck stehenbleiben, wenn längst kein Feind mehr aus der angepeilten Richtung zu erwarten ist? Da frage ich mich schon, wieviel Angst und Unsicherheit in dem breitbeinigen Koloss stecken muss, dass er nicht ein einziges Mal wagt Stand- und Spielbein und ein kurzes Wanken zu riskieren, sich umzuschauen, wo die echten Probleme liegen, und sich dann mit eleganter Drehung in diese Richtung zu wenden?
Und ihr Frauen: Auch ihr seid gefordert. Stellt euch endlich auch mal breiter auf!