Ursula Beilers Text „Grüß Göttin!“, seit einiger Zeit am Kreisverkehr zur Ausfahrt Innsbruck Mitte aufgestellt, erlebt ja immer wieder schöne, kreative oder weniger erbauliche, zum Teil auch primitive Veränderungen, Überschreibungen, Kommentare, die wesentlicher Teil des Werkes sind und das Interesse daran wachhalten. Kürzlich fand sich darunter auf gelben Tafeln der Zusatztext eines Anonymus: „Bin ungeimpft“.
Ist es eine Grußantwort? So nach dem Motto: „Wie geht´s?“ — “Gut, danke.“, was inzwischen zu einem „Bist geimpft? — „Ja, sicher!“ bzw. „Nein, danke!“ mutiert sein könnte?
Oder ist es ein Hilferuf: „Hilf mir, Göttin, ich bin ungeimpft!“ Aber wogegen soll sie denn helfen? Gegen das Virus oder gegen die Wissenschaftler und Impfbefürworter? Man ruft, wenn man der Medizin und überhaupt allen misstraut, eben als letzte Instanz Gott an (oder, sofern nicht verfügbar, im äußersten Notfall sogar eine nicht offiziell anerkannte Göttin), das wurde schon zu Pestzeiten so gehalten. Hat allerdings auch damals nichts genützt.
Oder ist es doch nur eines der üblichen Statements gegen die feministische Aussage der Grußbotschaft? Meint der Anonymus (jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Er): „Ihr lausigen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung, die ihr weiblich und/oder die ihr Geimpfte seid, ihr könnt mich alle mal! Ich stelle mich euch entgegen! Zwar ohne rationale Begründung, aber dafür in heldenhafter Pose. Lieber lasse ich mich anstecken und stecke an, als mit euch, dieser Mehrheit, die ihr immer die Wahrheit gepachtet habt, etwas gemein zu haben! Seht nur her, wie machtlos ihr gegen mich seid, wenn ich mir die Freiheit nehme, krank zu sein!“
Manchmal offenbaren die schrägsten Diskurse verborgene Wahrheiten. Dann werden sie, ungewollt, Literatur.