(c) Helmuth Schönauer

Nolympisch

3 Minuten Lesedauer

Das Seefelder Plateau will nicht mehr olympisch sein. – Diese Nachricht ist etwa so ungeheuer, wie wenn Innsbruck kein Goldenes Dachl mehr haben wollte.

In Zukunft will man den Tourismus in und um Seefeld also ohne die fünf Ringe bewerben, die freilich in letzter Zeit stark an Strahlkraft verloren haben. Der Hinweis auf vergangene Olympische Spiele ist längst kontraproduktiv geworden, gelten doch diese Giga-Events längst als Inbegriff für Umweltzerstörung, Korruption und Affinität zu Diktaturen.

Als sich vor Jahren die Region ums Eck, nämlich die aufgeblasene Gegend rund um Garmisch, für Spiele bewerben wollte, siegten die Nolympics knapp in einer Volksabstimmung. Freilich hatten sie Schützenhilfe vom FC Bayern erhalten, der als Symbol für Gigantomanie gilt. Innerhalb einer Woche taten sich drei Funktionäre mit guten Sprüchen hervor. Der eine gestand eine Steuerhinterziehung und ging in den Häfen, der andere hatte nichts zu verzollen und musste deshalb wertvolle Uhren am Zoll abgeben und kassierte ein Strafverfahren, und der dritte machte sich unsterblich mit dem Sager, er habe in Katar keine Sklaven in Ketten gesehen. 

Mit einer solchen Ethik im Hintergrund haben es Großereignisse immer schwerer, eine sogenannte Volksmeinung zu installieren, wonach es nur um Sport gehe. 

In Seefeld ist das Image zusätzlich von der Blutbeutelaffäre angepatzt, haben doch bei den schneeweißen Langläufern immer wieder Eigenblutkonserven kurz vor dem Start zurück in die Adern gefunden. 

So sauber geht es also zu, wenn gerade keine Kameras um die Wege sind. 

Aber auch sonst versucht man das Olympische loszuwerden. Das O-Dorf in Innsbruck wird längst als Negativbeispiel für kaputte Architektur in den diversen Nachschlagewerken aufgeführt.Und in Berlin leiden sogenannte olympische Einrichtungen heute noch darunter, dass ihnen einst Hitler die Reverenz erwiesen hat. 

Das gilt übrigens auch für Garmisch; wodurch sich der olympische Kreis wieder schließt. 

Noch freilich gieren die Sportler aller Richtungen und Handicaps (Paralympics) nach diesen fünf runden Dingern, die sie sich in Edelmetall verwandelt an die Brust heften wollen. 

Vielleicht sollte man eine Weisheit aus dem Literaturbetrieb ins nolympische Spiel bringen: „Du musst dich von großen Events trennen, willst du ein sauberes Image haben.“

In der Literatur nämlich sind die wirklich guten Schriftstellerinnen schon längst aus dem Rummel ausgestiegen, und schicken viertklassige Protagonisten nach Klagenfurt oder ins neblige Heidenreichstein.

STICHPUNKT 22|07, geschrieben am 09.01. 2022

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.