Vollendeter Parlamentarismus

8. März 2022
1 Minute Lesezeit
(c) Helmuth Schönauer

Die machen alles ohne uns Volksvertreter! – In den meisten Ländern mit sogenanntem funktionierenden Parlamentarismus ist in den Pandi-Jahren die Erkenntnis aufgekommen, dass bei wirklichen Katastrophen das Parlament zu verspielt und träge ist. 

Demokratie über das Parlament gespielt braucht ähnlich wie Bildung viel Zeit und ist als Prozess nie fertig. 

Wenn du mit abgetrenntem Bein irgendwo liegst, hilft dir die Bildung wenig. Ähnlich ergeht es der Demokratie, wenn Teile der Bevölkerung auf Intensivstationen mit dem Tod ringen. Da wird diskutieren und abstimmen keine Lösung sein.

Für das Auslösen von Katastrophenalarm hat man die Belegung der Krankenstationen herangezogen, diese wurden so etwas wie das geheime Parlament, in welchem durch Liegen und Sterben abgestimmt wurde. 

Für Freunde eines überbordendem Parlamentarismus könnte man bei künftigen Katastrophen das Parlament selbst als Maßstab aller Dinge heranziehen. 

Wenn sich die Bevölkerung in idealem Maße in der Parlamentsbeschickung widerspiegelt, so könnten Entscheidungen über Lockdown, Impfung oder Lotterie an den Parlamentariern selbst abgelesen werden. 

Also wenn von denen die Hälfte stirbt, ist es wirklich gefährlich und die Regierung kann ohne Abstimmung Maßnahmen treffen.

Vielleicht sollte man das Parlament als Grundparameter für alle Maßnahmen heranziehen.
Wenn fast alle Abgeordneten Bluthochdruck haben, sollte man eine Kampagne für das Volk draußen starten.
Wenn die Mustermänner und -frauen an sich selbst ausprobiert haben, wie viel Einkommen erstrebenswert ist, sollte man diese Entlohnung auf die Gesamtbevölkerung übertragen.
Wenn alle mit dem Dienstwagen zufrieden sind, sollte man diesen auch der breiten Bevölkerung jeweils mit Chauffeur zur Verfügung stellen. 

Gefragt wäre eine „inverse Demokratie“. Dabei wird die politische Sache einfach umgedreht.
– Nicht die Parlamentarier sollen das Volk darstellen, sondern das Volk die Parlamentarier. 

Das hieße dann grandioses Einkommen, Büro, Dienstwagen und Infodienst für jeden, sowie generelle Immunität und beste Altersversorgung. 

Es hat offensichtlich einen Grund, dass die Parlamentarier sich an ihre Sessel krallen, während das kleine Volk durchaus bereit ist, auf die bisherige Lebensführung als Mieter, Steuerzahler und prekär verrentete Person aufzugeben. 

Erst wenn die Menschen lieber im Volk als im Parlament sitzen, dürfte das Preis-Leistungsverhältnis dieses so wundersamen Sitzvolkes im Parlament wieder stimmen.  

Ziel eines vollendeten Parlamentarismus wäre es natürlich, dass das Volk lieber Volk ist, als Parlamentarier.

STICHPUNKT 22|16, geschrieben am 8. Februar 2022

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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