Wenn du Pech hast, ist der Schlaf bloß eine eingeschlafene Webseite, die am Morgen dort weitermacht, wo du am Vortag geglaubt hast, der Tag sei zu Ende.
Afta Grins schläft meist durch, sodass die hängengebliebene Seite erst beim Aufstehen virulent wird, aber Rentnerkollegen jammern am Mullhäuschen immer, dass sie vier, fünf mal in der Nacht aufstehen müssten, immer das gleich Standbild vom Vortag vor Augen.
Am Abend wird schon der Aufmacher für den nächsten Tag geschaltet, ein benachbarter Landeshauptmann will nicht zurücktreten, obwohl er alles verbockt hat, was mit Ehrlichkeit zu tun hat. Für den Morgen ist ein Interview mit dem hiesigen Häuptling geplant: „Stehen Sie auf jeden Fall morgen früh auf, sonst versäumen Sie was!“
Tatsächlich schläft in dieser Nacht kaum jemand im Land. Alle warten auf die Morgensendung „Leck Tirol“, worin entweder der benachbarte Landeshauptmann erklärt, warum er zurücktritt, oder der hiesige, warum er es nicht tut.
Afta Grins schaut ausnahmsweise die halbe Nacht lang auf die Uhr, ob es schon Zeit ist, die Morgensendung abzuhören, die er dreißig Jahre lang selbst moderiert hat. Ständig geht ihm die Melodie von No-Milk-Today durch den Kopf, die einen schweren Schaden in seinem Gehirn angerichtet hat und somit alles überlagert, was sonst noch kaputt ist nach einem Leben voller Arroganz und Ignoranz am Mikrophon.
Und dann kommt endlich die Signation für die Morgensendung und das Hauptthema drängt sich gleich vor: „Wir bringen in Leck Tirol ein Oberflächeninterview mit dem Landeshauptmann.“
Zuerst aber müssen die Staumeldungen durchgepeitscht werden, das ganze Land ist schon vor Sonnenaufgang verstaut, weil die Konjunktur blüht. Seit nämlich alles so teuer geworden ist, ist auch der Transport von Gütern wieder rentabel, und so liefert man jetzt die Waren erst dreimal durch das Land, um sie über die Transportkosten ordentlich zu verteuern, ehe man sie dann auf den Markt wirft.
Die Staumeldungen sind für Afta Grins beinahe ein Glück, weil sich noch eine Wurstlänge auf der Toilette ausgeht, ehe er dann frisch gewischt dem Landehauptmann lauscht, der aus einem Skikeller zugeschaltet ist und seine Schi wachselt.
Das Tiefeninterview wäre für Ö1 geplant gewesen, sagt der aktuelle Moderator, musste aber wegen einer unaufschiebbaren Schitour des LH verkürzt und oberflächlich auf unseren Regionalkanal verlegt werden.
Das Interview folge in Kürze und sei selber sehr kurz!
Hubert von Goisern darf inzwischen das Warten verkürzen: Heast es net! So, jetzt das Interview im Telegrammstil, der Landeshauptmann hatte leider keine Zeit, es in ganzen Sätzen auszuspucken.
– Soll der benachbarte Landeshauptmann zurücktreten?
– Ich habe keine Zeit, mir meinen Kopf darüber zu zerbrechen.
– Aber Sie treten nicht zurück?
– Solange ich schifoahn kann, trete ich nicht zurück, ich bin der Piste verpflichtet.
– Und was empfehlen Sie dem Nachbarhauptmann, wenn er zurücktritt?
– Geh schifoharn, bis der Wirbel vorbei ist.
– Und wohin geht es heute?
– Kühtai, zuerst Zwölfstaumauer-Tour und dann Abfahrt.
– Und wie gehts weiter?
– Gehts alle morgen auch schifoahn und übermorgen auch.
– Also vor der Wahl ist nach der Wahl?
– Unbedingt, weil dem Schifoahn ist die Wahl ja Wurst, es geht immer weiter.
Jetzt darf Wolfgang Ambros ran, er singt uns etwas über das Schifoarn.
Im ganzen Land rennen sie in ihre Keller und holen die Schi heraus, der Landeshauptmann hat es ihnen wieder einmal gesagt, wo es lang geht.
Afta Grins arbeitet bereits an der nächsten Wurst und frisst sich daher durch ein üppiges Frühstück.
STICHPUNKT 22|39, geschrieben am 24.04. 2022