Güni Nogglers literarischer Beitrag zur künstlerischen Bespielung von Bauzäunen in Schwaz wurde nach einer Ausschreibung von einer Jury zuerst ausgewählt, nun aber ausgemustert.
Dieser Autor kann sich selbst wehren und tut es auch. Dennoch ist diese Aktion der Stadt Schwaz sowas von typisch für den Umgang mit Kunst und Kultur hierzulande, dass er nicht mit einem Artikel in der Tiroler Tageszeitung vom 7.5.2022 (ebenfalls typischerweise auf der Lokalseite, nicht unter der Rubrik Kultur!) zu den Akten gelegt werden darf. Güni Nogglers Bauzaun-Text „Architekturversuch“ war offenbar bereits allzu kritisch und der Baufirma/ der Stadt/ ihren Bewohnern (in wessen Augen?) nicht zumutbar. Es habe sich, zitiert der Zeitungsbericht, niemand bereitgefunden, diesen Text am Bauzaun zu affichieren. Ja, hat man denn gesucht? Gibt es in ganz Schwaz keine einzige private oder städtische Baustelle, die Platz für dieses eine Wort hätte? Noch dazu, wenn der Begriff zwar zum Nachdenken über Architektur anregt, aber keinesfalls anstößig oder negativ ist? (Sonst hätte ihn die Jury/ das städtische Kulturamt garantiert nicht ausgewählt). Jedenfalls hätte dieses eine Wort das hinter dem Zaun Versteckte nicht bloß behübscht, sondern sogar darauf neugierig gemacht; den Blick für gute wie schlechte Architektur, mit der wir am Ende alle leben müssen, geschärft. Und wäre ein „Versuch“ guter Architektur nicht allemal besser als es gar nicht zu versuchen? Es scheint, als wäre keiner der hier Verantwortlichen auch nur fähig, die Konnotationen eines einzigen Wortes zu erfassen!
Und dass Kunst großspurig angekündigt, bestellt und dann nicht abgeholt wird, ist im Kulturbetrieb leider so typisch, dass es schmerzt. Man erinnere sich nur an die vielen Kunst-im-Raum- und Architekturausschreibungen, bei denen eine (oft besser als die Preisträger bezahlte) Jury aus — unter viel unbezahltem Ressourcenaufwand erarbeiteten Einreichungen — Sieger-Projekte auswählt, welche dann aber nie oder bestenfalls zur Unkennlichkeit verändert realisiert werden (Wenn nicht eh im Vorfeld schon abgeklärt wurde, wer den Auftrag bekommen soll!). Am Ende bestimmt nämlich nicht die Jury, was wirklich entsteht, sondern der Geldgeber, oft ein geschmacksentwöhnter Politiker, der sich zudem vor dem leisesten Hauch des Volkes fürchtet, dem das Ding womöglich nicht auf Anhieb gefallen könnte.
Solches Vorgehen ist vielleicht nicht „Zensur“ im engeren Sinn, wie die Tiroler Tageszeitung in der Überschrift Güni Noggler zitiert, aber es dient der systematischen Entmutigung der Künstler. Sie werden zur Imagepflege der Politik missbraucht*, ohne dass ihr Werk das Licht der Öffentlichkeit je erblicken würde. Ich würde es Kunst-Abtreibung nennen. Es zermürbt, bei öffentlichen Ausschreibungen überhaupt noch mitzumachen. Und so verhindert es letztlich die Entwicklung von Kunst und Kultur grad so gut wie Zensur dies täte.
HIER die großspurige Ankündigung der Schwazer Ausschreibung zum Nachlesen.