Im Stehen nach Kärnten zu fahren ist zwar sehr originell, aber es handelt sich um keine Sportart, sondern um einen Kollateralschaden Grüner Denke. Wenn alle das Klimaticket nützen, stehen alle im Waggon, statt auf der Autobahn.
Die Methangas-Absonderungen sind in einem Waggon besonders stark, sodass Pi mal Daumen gerechnet die Fahrt mit der ÖBB zur Zeit nichts fürs Klima bringt.
Zu spät nachgedacht, denkt sich Afta Grins, der jetzt in Villach sitzt, weil es da nichts zu sehen gibt außer Eisenbahner-Siedlungen aus dem vorvorigen Jahrhundert.
Villach gilt seit bald zwei Jahrhunderten als Eisenbahnerstadt. Sogar Schaffner-Hofräte gibt es noch, wenn auch als gefährdete Titel-Art.
Im Hotel haben sie auf Wunsch noch analogen Empfang, sodass der pensionierte Moderator von „Leck Tirol“ sein batteriebetriebenes Philips-Gerät auspacken kann, um am Morgen die Sendung aus der Heimat zu hören.
Afta Grins schläft schlecht, vom Villacher Gleisdreieck her sind während der Nacht allerhand Güterzüge zu hören, die dumpf wie eh und je die Nächte durchpoltern, während man von der Autobahn kaum etwas hört.
Endlich ist der Morgen da und die Sendung „Leck Tirol“ legt los.
Der Exmoderator ist aus dem Häuschen: „Das gibt es doch nicht! Guten Morgen und zack: No-Milk-Today!“
Die neuen Früh-Sprecher haben zwar noch das halbe Leben vor sich, reden aber dennoch hastig und hudelig, als wollten sie Möbel verkaufen.
Gesagt getan, das Wetter um die zehn Grad ist noch nicht richtig durch, da kommen schon zwei schwere Werbespots angeschossen und schwärmen von Zwickel-Tagen, an denen besonders günstige Gartensessel angeboten werden.
Wenn Werbung kommt, die man kennt, ist man sofort zu Hause. Afta Grins fühlt sich hier in Villach aufgeweckt wie sonst nur zu Hause hinter der geschlossenen Wintergartentür, die das Quaken der Vögel abhalten muss, damit ihm diese nicht die Sendung niederpfeifen.
(Er hört manche Tonschattierungen nicht mehr, vor allem eine Tonüberlagerung macht ihm zu schaffen, Vögel und Leck Tirol geht gar nicht.)
Aus dem Batterie-Gerätchen kommt jetzt die Tagesaufgabe an das Publikum. Es wird eine skurrile Nachricht vom Vortag verlesen und das Publikum soll anrufen und diese toppen.
Wie gut, dass die Sendung über Osttiroler Masten verstärkt wird, so dass man sie auch in Villach noch mit einem Ohr empfangen kann.
Die Nachricht lautet: Ein Pony steckt in einem Autoreifen und muss von der Freiwilligen Feuerwehr befreit werden.
Wenn Sie auch ein lustiges Unglück haben, rufen Sie an!“
Ein Kind ohne Stimmbruch ist in der Leitung und sagt, dass gestern bei der Zentralmatura Fragen aufgetaucht sind, die nicht einmal die Kommission selbst lösen konnte.
– Hast du das selbst erlebt?
– Nein, meine Schwester. Aber sie getraut sich nicht anzurufen, weil die Kommission so gebrüllt hat, als meine Schwester dann doch noch die Fragen aus dem Ministerium beantworten konnte.
– Na ja, witzig ist das nicht, sagt der Leck-Tirol-Mensch.
Glücklicherweise ist noch ein Anrufer dran, und der scheint wirklich ein witziges Unglück hinter sich gebracht zu haben.
– Ja, bei mir steckt das Huhn im Ei. Jetzt habe ich zwar den Fall gelöst, kann aber nicht zu meinem Frühstücksei, ohne die Henne zu verletzen.
– Wie meinen Sie das?
– Na im Loch der Biohenne, die ich vor der Wintergartentür halte, steckt das Ei, das ich fürs Frühstück will, und kommt nicht heraus. Ich kann doch nicht die Henne schlachten, bloß für ein Ei.
Das ist wirklich ein Unglück und bringt den Sieg. Es gibt, wie könnte es um diese Zeit anders sein, zwei Gartensessel aus Amazonas-Holz.
Genau wie vorgestern, als Afta Grins sich zum Bahnhof begeben hat, um sich nach Kärnten zu stehen, kommt endlich der heiß erwartete Song „Heast es net!“
Hubert von Goisern darf inzwischen das Warten auf den Kaffee verkürzen, sagt der Moderator. Aber beim Exmoderator im Hotel gibt es ihn erst um sieben.
STICHPUNKT 22|50, geschrieben am 03.06. 2022