Wenn die Kriege verloren sind, muss man in den angrenzenden Ländern in traurigen Zeremonien gewisse Straßen umbenennen, die das verlorene Gebiet für die Nachwelt in Erinnerung halten mögen.
In Innsbruck hat man nach dem Ersten Weltkrieg den „Verlust“ Südtirols mit der Umbenennung des Bahnhofsviertels wettgemacht und mit Brixen, Bruneck, Sterzing oder Bozen die Besiedlungsgeschichte des südlichen Landesteils im Norden als Stadtplan ausgerollt.
Aber auch der sieglose Feldherr des Desasters, der berüchtigte Franz Conrad von Hötzendorf darf in Innsbruck noch die Conradstraße mit Fragmenten seines Namens belegen. Berühmt geworden ist er übrigens dadurch, dass er die offizielle Kriegsschreibung mit einer Autobiographie amtlich ergänzt hat.
Die Trauerarbeit der Patrioten hat bis in die 1960er Jahre herauf angehalten. Damals hat man etwa eine Sepp-Kerschbaumer-Straße in ein östliches Feld der Stadt hineingepflügt.
Und heute noch steht dort ein Straßenbahnpuffer und beendet die Linie ins Olympische Dorf. Niemand mehr kennt diesen tapferen Patrioten, der auf Sprengstoff gesetzt hat, als ihm die Mundart ausgegangen war.
Nach dem aktuellen Krieg in der Ukraine wird man bald wieder einiges umbenennen, um der verlorenen Gebiete zu gedenken.
Da in den Tiroler Städten die meisten Straßennamen aber schon vergeben sind, sollte man vielleicht daran denken, auserwählte Orte in ein Ukraine-Gedenken mit einzubeziehen.
Als neue Ortsnamen bieten sich an: Kiew-bühel, Lw-imst, Chark-stein.
Aber da greifen sich die Gedenkmeister jäh an die Stirn: Sie haben ja noch nicht das verlorene Afghanistan gewürdigt!
Freilich ist es in Gestalt des Kandaharrennens und diverser Kandahar-Pisten eingeweihten Gedenkfetischisten ein Begriff, handelt es sich dabei doch um eine afghanische Stadt, die einst von einem britischen Offizier für den Westen entdeckt und erobert worden ist.
Natürlich darf man jetzt nichts machen, was die Taliban stören könnte, aber eine indirekte Gedenkminute sollte man einlegen, wenn man mit dem Navi über die Landschaft fährt.
Wie wäre es mit dem Ort Burkas-Dorf, um der unterdrückten Frauen unter Talibanherrschaft zu gedenken?
Patriotenkunde ist immer eine gefährliche Sache, sie wird leicht geschmacklos, schießt übers Ziel hinaus und wirkt im Endeffekt lächerlich.
STICHPUNKT 22|49, geschrieben am 02.06. 2022