Genau zehn Tage sind es noch bis die ganze Welt ihre Augen auf einen kleinen Wüstenstaat der arabischen Halbinsel richtet. Ein großer Teil der Aufmerksamkeit ist dem kleinen Emirat, das ziemlich genau die Größe des österreichischen Bundeslandes Oberösterreich erreicht, jedenfalls gewiss. Ein kleiner Teil wird die Fußballweltmeisterschaft bewusst ignorieren. Die einen, weil sie sich schlichtweg nicht für Fußball interessieren, die anderen, weil sie ein Zeichen gegen diesen WM-Wahnsinn setzen wollen. Dabei waren schon die letzten WM-Vergaben an Russland, Südafrika und Deutschland sehr umstritten, aber mit der Vergabe an Katar hat die FIFA endgültig den Vogel abgeschossen. Die entscheidende Frage für viele Menschen ist ja, warum der große Aufschrei erst jetzt kommt und ob ein Boykott – z.B. den eigenen Fernseher schwarz zu lassen – jetzt noch etwas bringt?
Zu spät für große Zeichen!
Ein großes Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen und gegen die katastrophalen Lebensbedingungen für Gastarbeiter im Land zu setzen, wäre leicht möglich gewesen. Dieses Zeichen hätte es nur rasch nach der Vergabe der WM durch die FIFA im Jahr 2010 gebraucht. Damals hätten Vereine in ganz Europa Widerstand ankündigen müssen, stattdessen haben viele willfährig ihre Geldtasche geöffnet und ihre Trikotärmel für Sponsorplatzierungen freigemacht. Da hilft es auch nichts, wenn der ehemalige FIFA-Präsident Sepp Blatter jetzt in Interviews betont, dass niemand in der FIFA damit gerechnet hätte, dass Katar jemals den Zuschlag erhalten könnte. Noch weniger hilft es, wenn jetzt reihenweise Fußballstars ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Wüsten-WM äußern. Der meiste Schaden ist jetzt schon angerichtet, was nicht heißen soll, dass diese Fußball-WM jetzt aufgrund dieser Tatsache zum allseitigen Kuschelkurs gegenüber dem Emirat einladen soll.
TV-Boykott ein sinnvolles Zeichen?
Für manche Fußballfans wird es eine schwere Entscheidung, ob sie die Fußball-WM verfolgen sollen oder nicht. Bei Sportgroßevents ist man geneigt, die eine oder andere politische Verfehlung wegzulächeln und zu betonen, dass doch der Sport im Vordergrund steht. Allerdings drängt sich die Frage auf, wo die Grenze zwischen politischer Verfehlung, Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen Menschlichkeit verläuft. Was von diesen Problemen lassen wir in die Entscheidung mit einfließen, ob wir die Fußball-WM in Katar genießen dürfen? Letztendlich muss das jeder selbst entscheiden. Es bleibt jedenfalls ein mulmiges Gefühl den millionenschweren Stars auf die Beine zu schauen, während sich die Fans in gut klimatisierten Stadien tummeln und vor den Toren der Fortschritt in beinahe allen sozialen Belangen ein Fremdwort ist. Die gleiche Freude, wie bei früheren Fußball-Weltmeisterschaften kommt jedenfalls nicht auf, das darf an dieser Stelle gesagt sein. Aber jetzt mal ehrlich: Wird bei euch der Fernseher wirklich schwarz bleiben?