Es gibt kaum Situationen in unserer Landeshauptstadt Innsbruck, die einen größeren Aufschrei hervorrufen. Wenn ein altehrwürdiger Baum weichen muss, werden plötzlich alle Innsbruckerinnen und Innsbrucker zu Expertinnen und Experten. Sie setzen ihren botanischen Röntgenblick dazu ein, die Baumgesundheit von außen zu beurteilen. Wenn wir uns ihren heldenhaften Einsatz genauer zu Gemüte führen, müssen wir ganz dringend zwei grundlegende Dinge trennen. Die botanischen Fakten zur Baumgesundheit und der wahre Antrieb, der hinter dem Einsatz vieler Menschen für die alte Baumpracht steckt.
Wie steht es wirklich um die Baumgesundheit?
Die Antwort ist so simpel wie unbefriedigend. Die Gesundheit eines Baumes rein von außen zu beurteilen ist schwierig bis unmöglich. Schäden können sich natürlich auch äußerlich zeigen, aber umgekehrt kann auch ein gesund wirkender Baum innerlich schon am absteigenden Ast sein. Dabei gilt es zwei Dinge zu unterscheiden, wenn man die Baumgesundheit in städtischen Gebieten beurteilen will. Die Bruchfestigkeit und die generelle Standfestigkeit. Die Bruchfestigkeit kann bei einem hohlen Baum eventuell sogar größer sein, das ist ein geläufiges physikalisches Prinzip. Die generelle Standfestigkeit kann nur eine Beurteilung der Wurzeln wirklich zeigen. Und diese Beurteilung sollten wir Expertinnen und Experten überlassen. Für die Zukunft und angesichts des fortschreitenden Klimawandels werden sich Städte in Europa generell überlegen müssen, welche Bäume sie pflanzen. Viele der bisher verwendeten Sorten sind dem Stress von zunehmender Wärme und wenig Platz in Städten nämlich nicht mehr gewachsen.
Jede Form der Veränderung ist schlecht. Oder?
In Wahrheit geht es den emsigen Baumverteidigern doch um etwas anderes. Sie lehnen jede Form der Veränderung in unserer Landeshauptstadt ab. Was immer schon so war, muss auch immer so bleiben. Dieser Antrieb wirkt beim Kampf um ein paar Grünpflanzen möglicherweise niedlich, ist in vielen anderen Situationen aber ein gefährlicher Grenzgang zwischen Kleinkariertheit und Rückschrittlichkeit. Wer ausschließlich für die Vergangenheit kämpft, wird von der Gegenwart vergrämt und verliert die Zukunft aus den Augen. Der Antrieb dieser Menschen ist das stadtgewordene Äquivalent zu Oma und Opa auf dem Land, die hinter dem halb-geöffneten Vorhang das Dorfgeschehen beobachten und vernichtende Urteile zu aktuellen Entwicklungen verteilen. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen wir vor allem in klimatischen Belangen stehen, sollten wir uns lieber damit beschäftigen, wie wir unsere Städte zukunftsfit bekommen und nicht jedem einzelnen Baum nachweinen.