Vom 25. November, dem internationalen Gedenktag für weibliche Gewaltopfer, und dem 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, sollen 16 Tage lang die Frauen als Gewaltopfer im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen.
Auch in Tirol denken die lokalen Medien zumindest 16 Tage lang ein bisschen über das Thema nach. Und gleichzeitig wird wieder über Abtreibung diskutiert wie in den guten alten Zeiten. Diese ist zwar, obwohl immer noch nicht legal, inzwischen bis zum 3. Monat straffrei, aber es gibt in Tirol einfach keine Ärzte dafür. Auch so kann man´s machen. Dann braucht es nicht einmal ein Gesetz konservativer Hardliner, um Frauenkörper wieder unter die Knute zu bekommen.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin kein Fan von Abtreibung. Eine gewollte Schwangerschaft ist trotz Übelkeit und anderer Beschwerden etwas vom Schönsten und Magischesten, was ein Mensch erleben kann. Eine ungewollte Schwangerschaft dagegen muss sich anfühlen wie ein Krebsgeschwür, das sich im hilflosen Körper breit macht und dir den Rest des Lebens zu rauben droht.
Und während jedem Raucher der Lungenkrebs fraglos auf Kassenkosten entfernt wird, ohne danach zu fragen, ob er ihn nicht selbst verursacht hat, wird eine ungewollte Schwangerschaft noch immer der Leichtsinnigkeit oder zumindest Unvorsichtigkeit der Frau zugeschrieben und deshalb gerne mit moralischen Begründungen verweigert. Bei Schwangerschaft ist also die Frau selbst für ihren Körper verantwortlich. Will sie aber kein Kind, ist es plötzlich nicht mehr ihr eigener Körper, sondern nun gehört er allen. Sie hätte halt besser aufpassen sollen.
Doch Verhütung ist etwas, das man lernen und sich leisten können muss: Verhütungsmittel gibts nicht auf Kasse. Und zeitgemäßer Aufklärungsunterricht an den Schulen wird hierzulande von ein paar bigotten Eltern verunmöglicht. Und es gibt auch immer noch zu viele Männer, die kein Nein einer Frau akzeptieren, und genauso viele, die es für Überforderung halten, sich um ihr eigenes Kind, ist es einmal geboren, zu kümmern und dabei auf manche Annehmlichkeit zu verzichten. Auch gibt es immer noch keine Regelung, ausständige Alimente staatlicherseits vorzuschießen und ohne eigenen Rechtsanwalt einzuklagen. Und noch immer ist unsere Arbeitswelt so organisiert, dass (auch noch so gewollte) Kinder und volle Berufstätigkeit sich weder für Mann noch für Frau ausgehen.
Andererseits sind Spitäler und Krankenkassen im Heiligen Land Tirol offenbar nicht imstande, einen Gynäkologen oder eine Gynäkologin anzustellen, der/die bereit ist, Abtreibungen vorzunehmen. Zusätzlich philosophiert, quasi als ständiges Begleitgeräusch, ein kirchlicher Männerchor seit ewigen Zeiten über den Schutz des ungeborenen Lebens, dabei geflissentlich den Schutz des geborenen Frauenlebens übersehend. Und wohlmeinende Moralisten raten, man könne ja ein ungewolltes Kind zur Adoption freigeben und damit einem kinderlosen Paar eine Freude bereiten, während dieselben Moralisten natürlich Leihmutterschaft entrüstet ablehnen. Dieselben Verfechter des ungeborenen Lebens haben auch noch nie von pränatalen Prägungen gehört oder sich vorgestellt, wie es sich für das werdende Menschlein anfühlt, 9 Monate lang gehasst zu werden. Und … und … und … Das alles ist pure Gewalt an jeder Frau, die, aus welchen Gründen auch immer, kein Kind gebären will. Schauen Sie sich, falls Sie noch daran zweifeln, im Kino den Film „Call Jane“ an.
Noch einmal: Ich halte Abtreibung für eine der schwersten Lebensentscheidungen und kann mir nicht vorstellen, dass diese leichtfertig und ohne Folgen fürs weitere Leben getroffen werden kann. Aber ich halte es andererseits für eine der schlimmsten Gewalterfahrungen, wenn man(n) einer Frau bei dieser Entscheidung dreinredet.
Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Demo der Siebzigerjahre in Innsbruck gegen den damaligen Strafparagraphen für Schwangerschaftsabbruch. Es war ein sehr ruhiger, gesitteter Aufmarsch und ich ging mit, wie immer am Rand (jederzeitige Fluchtmöglichkeit bedenkend), als in der Maria-Theresien-Straße ein älterer Mann vom Straßenrand her (nicht als einziger!) wuterfüllt gegen uns anschrie und schließlich mit einem Regenschirm auf mich und andere Demonstrant*innen einschlug.
Das wenigstens dürfte ein Mann ohne Uniform heute nicht mehr tun.