Kompromisse? Synthese? Lösungen? Das Beste aus beiden Welten? Fehlanzeige. Nichts als wieder und wieder der altbewährte Kuhhandel, der sich aus unserer zutiefst bäuerlichen Tradition ins neue Jahrhundert herübergerettet hat.
Seit Trump spricht man im internationalen Politgeschäft auch von einem „Deal“, was in unseren Ohren mafiöser klingt, aber genau dasselbe meint. Das Wesen des Kuhhandels/Deals besteht ja generell darin, dass jede der Parteien sich für schlauer als die andere hält und somit mindestens einer der Dumme ist. Oft auch beide.
Ich erinnere mich an eine viel belachte Episode aus Studientagen: Ein Bekannter hatte sein altes Auto so weit aufgemöbelt, dass es für einen unbedarften Käufer ganz passabel aussah und tauschte es gegen das viel bessere Auto eines Deutschen. Es verging kein Monat, und beide Fahrzeuge brachen irreparabel zusammen. Fazit: Kuhhandel funktioniert nicht, wenn zwei Oberschlaue aneinandergeraten und sterbenskranke Kühe getauscht werden.
Im politischen Alltag ist der Kuhhandel inzwischen das beherrschende Prinzip. Es wird nicht mehr zwischen ideologischen Lagern debattiert, bis weißer Rauch über einem ehrlichen Kompromiss oder gar einer guten Lösung aufgeht. Nein, man tut so, als suchte man eine Lösung, und am Ende kriegt jeder einen kleinen Wunsch erfüllt — damit beide nach außen etwas vorweisen können. Und das nicht etwa, um ein Problem zu lösen, nein, bloß um wiedergewählt zu werden. Auf diese Weise ist das Ergebnis das immer gleiche: Es gibt keine erkennbare Richtung in die Zukunft, und es funktioniert auch im Einzelnen nichts, weil jede Maßnahme von der nächsten konterkariert wird.
Auch früher schon wurde Pöstchen A gegen Sessel B getauscht, doch danach wurde nach klaren Richtlinien gearbeitet. Inzwischen aber geht es nicht mehr nur um Posten und Personalien und Machtverteilung, sondern um Inhalte, die wahllos und gänzlich ideologiefrei gegeneinander abgegolten werden. Der Boulevard bedient inzwischen jedes Lager, sobald ein überteuertes Inserat gegen Huldigung zu tauschen ist, und jedes politische Lager geht bereitwillig auf den Deal ein. Früher erklärte man sich dezidiert für oder gegen die allgemeine Wehrpflicht, für oder gegen die NATO, für oder gegen die Gesamtschule, egal was, dann ist plötzlich der politische Gegner dafür, und man schwenkt ins Gegenlager. So hat man immer etwas, das man zum Tausch anbieten kann.
Parteien, egal welcher Couleur, gelten den Erhalt eines Flusslaufs hier gegen eine Lifterschließung dort ab. Tauschen ein Flüchtlingsheim hier gegen Grenzkontrollen und Gefängnislager im Ausland. Tauschen Straßenneubau hier gegen Bahnerschließung anderswo. Tauschen Augen-zu hier gegen Augen-fest-zudrücken dort. So werden von Brüssel bis ins letzte Tiroler Dorf kranke Kühe gegen hinkende Pferde abgetauscht und uns als zukunftsweisend verkauft. — Ja, bitte, glaubt ihr denn wirklich, die Leute würden euch wieder wählen, wenn ein Projekt nach dem anderen sich als Rohrkrepierer, oder, um im Wortbild zubleiben, als tote Kuh erweist? Derart werden wir in zwanzig Jahren nichts mehr zu melken haben …