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Vom Schummeln und Lügen  11 – Das Lächeln der Mächtigen

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Lächeln, heißt es, sei anthropologisch eine Geste der Entspannung und bedeute, dass man vor dem Gegenüber keine Angst haben müsse. Aber stimmt das noch, wenn alle inzwischen Medienschulungen absolvieren?

Kürzlich fiel mir ein Pressefoto ins Auge. Sebastian Kurz und Rene Benko, beide mit gewinnendem Lächeln und weit offenem Blick direkt auf den Betrachter bzw. ins Kameraobjektiv. So vertrauenerweckend und offen, die Beiden! Die Wunschschwiegersöhne der Nation, zumindest bis vor Kurzem. Inzwischen weiß auch die letzte potenzielle Schwiegermama, dass es zwei ganz Ausgefuchste sind.

Das zeigt sich auch an ihrer geschulten Mimik: kein unbewusstes Zucken, Blinzeln, in die rechte obere Ecke Schauen oder Kopfschütteln, wenn sie einen Untersuchungsausschuss oder Presseleute anlügen. Keine Beruhigungsgesten, das heißt: Sie haben keinerlei Stress dabei. Im Gegenteil. Sobald die Kamera oder ein wichtiges Gegenüber da ist, wird die einstudierte Mimik sofort perfekt und locker eingesetzt.

Es gibt auch noch andere Dauerlächler in der Politik, zum Beispiel Wolfgang Sobotka. Bei ihm hat sich allerdings aufgrund der vielen Jahre im Öffentlichkeitsgeschäft schon ein gewisser verbissener Grundzug ins Lächeln eingeschlichen und der direkte, zugewandte Blick ist hart geworden. Auch bei Kanzler Nehammer haben die Medienschulungen nicht gefruchtet. Sein Lächeln gleicht eher einem Zähnefletschen.

In der Demokratie ist das Lächeln erst vor Kurzem angekommen. Früher beherrschten das hauptsächlich die Mitglieder von Königshäusern — seit dem Ende ihrer absoluten Herrschaft. Ich erinnere mich an eine TV-Szene vor Jahren, als eine Dame des englischen Hochadels den Wimbledon-Pokal übergeben sollte. Dummerweise lief die Kamera zu früh und man konnte beobachten, wie die extrem unleidliche Miene sich direkt am Eingang zum Court schlagartig in ein zauberhaftes, Tennis-begeistertes Lächeln verwandelte. Gelernt ist eben gelernt.

In Diktaturen und Scheindemokratien dagegen ist Lächeln immer noch überflüssig, ja geradezu schädlich. Einem Putin oder einem Xi Jinping oder Erdoġan würde niemals ein Lächeln an der Öffentlichkeit auskommen. Im Gegenteil, da muss man die Pressebilder im Internet sehr weit zurückscrollen, um auf ein freundliches Gesicht zu stoßen. Klar, denn wo Härte und Durchgreifen Markenzeichen sind, ist Lächeln kontraproduktiv. Aber den Blick direkt ins Auge des Gegenübers, den beherrschen sie ebenso. Nur eben als Mittel der Einschüchterung. Der derart ins Auge Gefasste senkt besser sofort demütig seine Lider.

Also, Leute, seid vorsichtig! Ein schönes Plakat-Lächeln sagt nichts über eine freundliche Gesinnung aus. Und ein offener, gerader Blick kann vieles bedeuten. Richter wissen, dass die wirklich notorischen Lügner und Betrüger – ihrer Überlegenheit gewiss — charmant lächeln können und dir immer gerade und offen ins Auge blicken.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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