„Es ist schwer, den erlernten Beruf wieder loszuwerden!“
Die wahre Erkenntnis ist immer harmlos. Das Leben ist am Ende einfacher, als man glaubt. – Als geradliniger Schriftsteller spricht man meist Themen an, mit denen man zwar kein Geschäft macht, aber dafür wenigstens keine Freunde verliert.
Gerade im reifen Schreiber-Alter wirft man daher klugerweise oft ein Thema weg, um einen Freund zu halten, der beim Ansprechen der Wahrheit verloren wäre.
Rettung bietet ab und zu eine Glosse, worin man die Wahrheit andeuten kann, indem man ein bisschen ins Allgemeine hinein winkt, ohne dadurch jemandem nahezutreten.
Seit dem Auftreten der „letzten Generation“ verliert man ohnehin bei jedem Stuhlgang Freunde, wenn man sagt, dass sie mit ihren Schnellklebeaktionen wahrscheinlich dauerhaft recht haben.
An diesem von ihnen zur Debatte gestellten Klimatod nagen freilich auch gutgläubige Künstler, die mit aufklärerischen Kunstwerken die Welt zu verschönern und so vor dem Untergang zu retten versuchen.
Während bislang das Diktum gegolten hat, in der Kunst müssen die Schranken überwunden werden, wenn sie einem im Weg stehen, überlegen der eine und die andere mittlerweile heimlich, wie viel sie durch ihre große Kunst zum klimatischen Weltuntergang beitragen.
Spektakulär auf Untergang getrimmt sind dabei die sogenannten Stahl-Plastiker, wenn sie in den diversen Kreisverkehren Stahlmonumente aufstellen, um dem Verkehr zu huldigen und das Auto zu feiern.
Dabei wollten sie ursprünglich nur die Auto-Lenkenden zum Frohsinn bringen, wenn diese statt eines angeklebten Aktivisten bloß einen ÖAMTC-Engel ohne Kopf mitten in der Verkehrsanlage ansehen müssen. – Diese Plastik, als Widerstand gegen die Kopflosigkeit gedacht, ist in ihrer Stahlausführung mittlerweile pure Klima-Verhöhnung.
Eine Kunst voller CO2, Stahl, Kohle, Autokran, Armierung im Sockel – wääh!
Das scheint ein neuer moralischer Straftatbestand zu werden: „Klimaverhöhnung“. Dabei wird verbal der Weltuntergang besungen, und gleichzeitig auf einer App nachgerechnet, wie viel dieses Kunstwerk gerade an CO2 verbraucht, während man es ansieht.
Ein Freund von mir hat Dutzende solcher Stahlplastiken in den Kreisverkehren Europas aufgestellt, fallweise sogar vor Hotels mit riesigen Wellnessanlagen, welche von Atomstrom gespeist werden.
Wenn ich ihm diese Glosse hier zeigen würde, müsste er mir die Freundschaft kündigen, weil selbst diese abgedämpften Formulierungen meinerseits ihn in den Wahnsinn trieben.
Alles, was er bisher mit dem Schweißgerät in der Plastikwerkstatt verbrochen hat, ist die Beschleunigung des Weltuntergangs!
Seine Frau sagt, dass er stark abgemagert ist, seit er kein Fleisch mehr isst.
„Mit den am Teller eingesparten Tieren kann ich CO2 sparen und mir so ab und zu das Anwerfen der Esse leisten, wenn ich eine kleine Tischskulptur schmieden will!“
Da bin ich meinerseits froh, dass meine Werke aus Papier zu Lebzeiten von so wenig Leuten gelesen werden.
Auch ich nage am anstehenden Klimatod und weiß nicht, wie stark ich ins Gras beißen soll. Aber mit meiner Literatur habe ich zumindest bis jetzt noch keinen Klimaschaden angerichtet.
Vielleicht sollten mehr Künstler so unauffällig schreiben wie ich. Dann könnten wir die Welt retten, indem wir durch unsere harmlose Kunst wenigstens kein CO2 verbrauchen.
STICHPUNKT 23|45, geschrieben am 10.05. 2023