Den Sommer über, den manche gar nicht als solchen erkannt haben, sollen auch heuer allerhand Bücher im Sand liegend aufgetaucht sein, deren Cover irgendwie auf einen Krimi hindeuten.
Jetzt im Herbst genieren sich alle, dass sie einen Krimi gelesen haben, das sei nur ein Gerücht.
Wenn man nachfragt, welche Krimis in dieses Gerücht hineinpassen, so geben die Befragten unter Scham gewisse Wortteile an, an die sie sich noch erinnern könnten.
Das Wesen eines Krimis besteht aus schnellem Vergessen. Und tatsächlich, schon nach ein paar Tagen kann man nicht mehr sagen, was diesen Sommer über in einem Buch, in einem Blog oder in einer Sommerzeitung gestanden ist.
Hier die „Top-Ten“ der kriminellen Gerüchte:
(1) Die Toiletten vom Bodensee, ein Bondensee-Krimi.
In Wasserburg am Bodensee stirbt ein uralter Mann, der Jahrzehntelang die literarische Welt in Aufruhr versetzt hat, weil er immer wieder behauptet hat, sein Notizbuch sei ihm auf dem Weg nach Hall in Tirol gestohlen worden. Trotz seines hohen Alters glaubt daher niemand daran, dass er eines natürlichen Todes gestorben sei, zumal in seinen Texten immer wieder tragende Persönlichkeiten verschwunden sind und seine Romane oft in ein Desaster voller Forensik führen.
(2) Die Toiletten von Bozen, ein Bozen-Krimi.
Benno, der Sohn eines Bodybuilders, gesteht einen brutalen Mord an seinen Eltern. Nach seinem Geständnis verlangt er von den Carabinieri, auf die Toilette geführt zu werden. Als diese ihn links und rechts an den Armen packen, um ihn wie ein Kind über das Urinar zu halten, macht die Blase zu. Diese Verstocktheit überträgt sich auch auf das Sprechvermögen des Verdächtigen, sodass er keine Antwort zu geben weiß auf die Fragen, die ihm auf Italienisch und Deutsch gestellt werden.
(3) Die Toiletten von Parma, ein Parma-Krimi.
Leonardo, Käsemeister aus der Umgebung von Parma, kommt beim Polieren von Grana-Pardano-Laiben zu Tode, als ein Mega-Regal zusammenbricht und ihn unter Tausenden von Laiben mit 33 Kilo das Stück begräbt. Erst nach Tagen kann er aus dem Käseberg geborgen werden. Bei der Suche nach der Ursache des Unglücks stoßen die Statiker auf eine Notiz des Verstorbenen, wonach er sich am Geschlecht umoperieren lassen wollte, weil ihm das bisherige in den engen Käsetunneln hinderlich war.
(4) Die Toiletten von Rijeka, ein Kroatien-Krimi.
Luka und Karlo sind bei der Feuerwehr und haben sich verstohlen als Paar gefunden. Bei nächster Gelegenheit werden sie sich outen, aber ein heimtückisch gelegter Waldbrand im Hinterland der Küste zwingt die beiden „Woken“ zu einem Einsatz, bei dem sie verbrennen. Als man die beiden Feuerwehrleute eng zu einem Torso umschlungen findet, keimt zuerst die Bora auf und später das Gerücht, dass der Tod einen forensischen Hintergrund habe.
(5) Die Toiletten von Krk, ein Inselkrimi.
Lucija und Lana sind hochdekorierte Rettungsschwimmerinnen, die Badeanzügen im kroatischen Rautenmuster an der Westküste der Insel Krk Dienst tun. Als ihre geschlechtliche Neigung bekannt wird, kommt es zum Einsatz eines zum Killer ausgebildeten braunen Hais, der von Faschisten ausgebildet gegen lesbische Pärchen eingesetzt wird, indem er deren ausgestoßene Hormone im Wasser als Bedrohung empfindet.
(6) Die Toiletten von Altötting, ein Wallfahrts-Krimi.
In einer offensichtlich langfristig geplanten Aktion stürmen eines Wallfahrtssonntags mehrere von Kirchenmännern geschändete Ex-Knaben die Beichtstühle und zwingen die darin Absolutionen aussprechenden Patres, sich auszuziehen und öffentlich Unzucht an sich selbst ui vollziehen. In einer milden Triggerwarnung wird das Kirchenvolk darauf hingewiesen, dass die Vorgänge kaum belasten, weil sie ja auf Kirchengrund stattfinden.
(7) Die Toiletten von Salzburg, ein Mozart-Krimi.
In der Salzburger Bahnhofsgegend wird eine Verkäuferin von Mozartkugeln tot aufgefunden. Bald fällt der Verdacht auf einen roten Stier, der kurz nach der Wahl der Kommunisten in den Gemeinderat der Stadt von einer Kolchose eines Dosenkonzerns geflüchtet ist. Ob ein sexueller Übergriff vorliegt, kann erst geklärt werden, wenn der Stier gefunden, obduziert und zu Gulasch verarbeitet worden ist.
(8-10) Die Toiletten-Trilogie aus Osttirol.
a) Totenfrau
Anna ist Totengräberin und muss manchmal während des Einbalsamierens einer Leiche auf die Toilette. Dort entdeckt sie einen Erhängten, der in einem unnatürlichen Winkel vom Balken hängt. Schon kocht die Gerüchteküche hoch und verwendet dabei dreisilbige Sätze, die in diesem wortkargen Winkel das Landes üblich sind.
b)Totenhaus
Anna ist noch immer Totengräberin und wohnt jetzt in einem gruseligen Haus, das sie von einem von ihre einbalsamierten Toten übernommen hat. Die Gerüchteküche brodelt in kurzen, dreisilbigen Sätzen und behauptet, dass es spukt. Tatsächlich löst sich ein Schatten aus der Wand, als Anna auf die Toilette geht, und beginnt sofort mit dem Grapschen.
c)Totenrausch
Anna ist nach ihrem Grapsch-Schock, der sie in eine Auszeit gezwungen hat, wieder in ihr Haus und ihren Beruf zurückgekehrt. Ihre mentale Reha ist gründlich danebengegangen. Um den Beruf, das Land und sich selbst auszuhalten, muss sie ununterbrochen trinken. Manches Begräbnis muss hinausgeschoben werden, weil die Einbalsamierung im Rausch der Totengräberin schiefgegangen ist. Ein grausames Gerücht macht die Runde, es besteht aus drei Silben.
STICHPUNKT 23|69, geschrieben am 31. August 2023
