(c) Helmuth Schönauer

Reife Kalendersprüche über Tirol

3 Minuten Lesedauer

Da in Tirol die guten Sprüche schon längst aufgespürt und ausgedruckt sind, wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, für aktuelle Kalender noch halbwegs brauchbare Sprüche finden.

Als gute Quelle erweisen sich freilich immer noch Romane aus dem vorigen Jahrhundert, die bereits zu Lebzeiten ihrer Schöpfer vergessen worden sind.

Der aktuelle Kalender speist sich aus Romanzitaten Helmuth Schönauers „Muff Teig Provinz“ aus dem Jahre 1987.

Bei den Kalendersprüchen handelt es sich um ein literarisches Genre. Der Wahrheitsgehalt kann folglich nur in der Kalenderspruch-Blase überprüft werden.

Ein echter Tirol-Kalender hat vierzehn Monate, weil ja das Urlaubs- und Weihnachtsgeld einen eigenen Slogan verdienen.

[Jänner]

Und merkt euch, da nur Tiroler zur Wahl gehen dürfen, bleiben alle Stimmen in Tirol. (S. 22)

[Feber]

Selbst wenn wir wussten, dass alles erlogen ist, was in der Todeltodel steht, so waren wir mit dieser erlogenen Welt wenigstens für kurze Absätze mit unserem Tirol versöhnt. (S. 26)

[März]

In Tirol gibt es zwar in jedem Dorf eine Fremdenverkehrsstelle, aber kaum eine Koma-Stelle. Koma ist nicht Koma. (S. 40)

[April]

Wer einen Tiroler Preis in Tirol ergattert, braucht nicht mehr zu dichten, weil man ja seinen Schlaganfall offiziell zur Kenntnis genommen hat. (S. 43)

[Mai]

Es gibt in Tirol keinen Literaturpreis, den man nicht verweigern müsste. (S. 48)

[Juni]

In Tirol ist bekanntlich auch das Amen schon recht teuer. Die Todeltodel hat für Allerseelen eine Amenbilligaktion angekündigt. (S. 53)

[Juli]

Wer in Tirol einmal gewählt hat, kann in die Wüste gehen. (S. 56)

[August]

Warum brauchen die Bergsteiger Nordtirols überhaupt einen Heiligen, wenn sie ohnehin im Himalaya bleiben, und das frisch ausgeschaufelte Grab in Tirol verschmähen? (S. 59)

[September]

Am Abend verlässt der Kapitän die Schiffe und sagt gute Nacht. Es ist Nacht über der Schiffe, der Mond geht nicht zum Achensee, weil er sonst beschlagnahmt würde. In Tirol wird alles eingesperrt, wenn es nicht dem Fremdenverkehr dient. (S. 66)

[Oktober]

Wir werden auch das Melanom beschlagnahmen. In Tirol wird nichts den Glanz unserer Uniformen stören. (S. 69)

[November]

Die Tiroler sammeln ihre Kekse und Abzeichen tapfer; in keinem Land der Erde ist die Keksdichte so hoch wie in Tirol. (S. 70)

[Dezember]

Kotzen sollst du, kotzen sollst du. Alle Wünsche, die man in Tirol hat, muss man sich heimlich vorsagen, die lauten Wünsche werden sofort beschlagnahmt. (S. 76)

[Urlaubsgeld]

In Tirol kommt man flott durchs Land, ohne dass man mit dem Land in Berührung kommt. (S. 93)

[Weihnachtsgeld]

Tirol ist eine Männerwelt, die einzige Frau ist eine Lärmschutzmauer. (S. 102)

STICHPUNKT 24|15, geschrieben am 14.02. 2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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