Wenn Nachrichten aus Osttirol kommen, schauen die Innsbrucker mit gierigen Augen darauf. Früher mussten sie immer auf Donnerstag Abend warten, bis einmal in der Woche das „Osttiroler Bötl“ mit dem Abendzug von Lienz in die Hauptstadt geschickt wurde.
Heutzutage ist natürlich alles online, sogar der Katastrophenschutz „drinnen“ ist mittlerweile an jenen von Resttirol angeschlossen. Eine Zeitlang wollte man ja Katastrophen in Lienz selbst managen, weil man Angst vor den Auswärtigen hatte, wenn sich diese bei der Hilfeleistung in seltsamen Sprachen unterhielten.
Nachrichten aus Osttirol sind entweder:
a) gigantisch (Dolomitenmann)
b) einzigartig (Dolomitenmann)
c) oder schlau (Katarakt vom Dolomitenmann)
Dieser Tage fuhren in Lienz zuerst die Stechspaten der Prominenten und anschließend die Bagger der Fachleute auf.
Angeführt vom Landwirtschaftsminister, der ein echter Osttiroler ist, wurde ein Sandhügel am Ufer der Isel angestochen, um ein Jahrhundertbauwerk zu beginnen.
„Mit einem feierlichen Spatenstich haben am Montag die Arbeiten zum ‚Hochwasserschutz Isel‘ in Lienz begonnen. Die Isel soll im Ortsgebiet um bis zu 2,5 Meter tiefer gelegt werden, um die Stadt vor Hochwasser zu schützen. Iselsteg und Promenade werden erneuert. Die Kosten für das 14-Millionen-Euro-Projekt trägt zu einem großen Teil der Bund.“
Leider verliert Osttirol dadurch eine wesentliche Sehenswürdigkeit.
„Man kennt ihn von spektakulären Bildern beim Dolomitenmann – Kanuten mussten sich in der Isel über einen wild schäumenden Katarakt quälen. Diese Stufe wird jetzt entfernt und der Fluss um bis zu 2,5 Meter eingetieft. […]
In zwei Jahren soll das Projekt abgeschlossen sein. Die Länge des Bauloses beträgt in Summe 2,1 Kilometer.“
red, tirol.ORF.at
In Innsbruck stehen sie fassungslos am Innufer, von dem gerade die Studierenden vertrieben worden sind, und fragen sich, warum man das nicht in Innsbruck auch macht.
Den Inn einfach zwei drei Meter tiefer legen und schon haben wir Hochwasserschutz und „volksbegnadete“ Ufer, wie es in der Hymne heißt.
Freilich, Innsbruck würde dann nur mehr fünf-siebzig statt fünf-vierundsiebzig über dem Meeresniveau liegen.
Wenn man den Inn tiefer legt, könnte man auch Breite sparen, auf der man dann wieder Wohnungen bauen könnte, – Innsbruck würde endlich am goldenen Inn liegen.
Vielleicht haben uns die Osttiroler dieses Mal mit dem Baggern wirklich alle über die Isel gezogen und machen uns zu ängstlichen Narren hinter Flussmauern.
Die üblichen argwöhnischen Innsbrucker freilich, die immer etwas an den Osttirolern auszusetzen haben, verweisen auf einen komischen Versuch in der Physikstunde.
Wenn du eine Tasse umstößt, fließt das Wasser daraus in gleicher Menge, egal, ob du die Tasse auf dem Tisch oder auf dem Boden stehen hast.
STICHPUNKT 24|13, geschrieben am 07.02. 2024