(c) Helmuth Schönauer

Hilfe, wer sagt mir, was Trend ist?

6 Minuten Lesedauer

Manchmal weigert sich das Leben, einen Sinn zu suchen, ihn zu verteidigen oder gar auszuleben.
Das EKG zuckt tapfer seine Spannungskurve ab, das EEG legt beeindruckend elegante Striche aufs Display, aber Ereignisse oder gar Höhepunkte? – Fehlanzeige.

Für solche Sinn-Löcher, in die Körperbewohner oft mehrfach während eines Kalenderjahres fallen können, sind die diversen Trends da.

Den Trend kann man messen, wenn er einmal freigesetzt ist, in der Hauptsache aber besteht er aus einer Prognose, die verlässlich eintritt.

Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt es sich, mehrere Trends im Auge zu behalten, wie man ja auch klugerweise an der Börse seine Aktien streut, wenn man weiß, wo die Börse ist.

Für einen durchschnittlichen Trend-Aktionär, der nichts vorhat, als seine Sinnlöcher auszufüllen, empfiehlt sich in der Grundausstattung die tägliche Beobachtung von KRONE, STANDARD und TT.

1. Was sagt der Reichen-Trend?
Für die Beantwortung dieser häufig gestellten Frage lohnt es sich, in der KRONE nachzuschauen.
Seit ein gewisser Immobilienjongleur aus Tirol die Krone kaufen wollte, ist diese so sauer, dass sie täglich mit Verachtung einen Reichen-Trend vorstellt, dem der Immo-King seinerzeit gehuldigt hat.

Also, wenn du richtig reich glitzern willst, musst du:
– die Krone kaufen wollen
– die Landegebühren für Privatjets am Innsbrucker Hangar offen lassen
– Untersuchungsausschüsse schwänzen
– die Schwiegermutter so in Rage bringen, dass sie dich ins Gefängnis wünscht
– in Kärnten eine Jagdbüchse mit vergoldeten Intarsien anfertigen lassen,
– Stiftungen nach deinen Kindern nennen (Anstrengend: du musst so viele Kinder machen, wie du Stiftungen brauchst)
– einen Picasso kaufen
– ein Pferd besamen und am eigenen Gestüt austragen lassen
– einen Lamborghini mit Speziallack einsprühen lassen
– deine Villa als Hotel ausgeben

Wenn all das nämlich jemand macht, bei dem Geld keine Rolle spielt, dann muss es auch für jemanden gut sein, der kein Geld hat. 
Schließlich geht es ja beim Reichtum um die Sinnfindung, sonst würden wir nicht alle der Kohle hinterherhetzen.

Die KRONE jedenfalls beschreibt den großen Sinn mit einfachen Worten und glänzenden Geschichten.
Vielleicht besteht der Sinn aber auch nur darin, jeden Tag eine KRONE zu kaufen.

2. Was sagt der Bobo-Trend?
Der Bobo-Trend gilt in Tirol als besonders exquisit, weil man ihn bei uns kaum ausleben kann. Diese Verbindung von bourgeois und bohémiens lässt sich in Tirol weder als Einzelteil noch als Bobo-Konzept ausleben.
Es fängt schon damit an, dass es zu wenig Abstellflächen für Lastenfahrräder gibt, die als Statussymbol für diese Lebensform gelten.

Die Ur-Bobos sind meist im achten Wiener Bezirk angesiedelt und diskutieren ihre Trends über den STANDARD, der ihr Hausblatt ist.
Auf der Suche nach Sinn macht es freilich durchaus Sinn, sich Trends und Fragestellungen aus diesem Milieu „anzugucken“, denn ab und zu ist etwas dabei, womit man auch in Tirol ein Sinn-Loch stopfen kann.

– Wo ist das Bike-Eldorado für Familien?
– Was tun, wenn Kinder die Eltern beschimpfen und umgekehrt?
– Was bewirken Vorzugsstimmen bei den Grünen?
– Wo stehen die schönsten Vinotheken?
– Wie geht man mit depressiven Phasen beim Partner um?
– Wie viel Geld ist bei einer Trennung drin?
– Was würde Immanuel Kant heute tun?

Auf alle diese Fragen gibt es kluge Antworten und somit Sinn. Oft resultiert aus den Artikeln sogar ein Sinn-Überschuss, das heißt, man erfährt etwas, was man gar nicht wissen wollte. 
Mit diesem Wissen lässt sich aber so gut wie jeder Trend bewältigen, der gerade irgendwo ausgerufen worden ist.

3. Was sagt der Tiroler Trend?
Der Tiroler Trend, wie schon der Name sagt, ist vor allem im Touristischen Tagblatt (TT) zu finden.
Eine Faustregel lautet: Tourismus ist Trend und Trend ist Tourismus. 
Folglich findet man den Trend vor allem in Hotels, man arbeitet ihn am besten ab, indem man mit ihm ins Bett geht. 
Natürlich gibt es über diesen Ur-Trend hinaus noch allerhand Podcasts und Lifestyle-Überlegungen, die zu einem Trend führen und Sinn stiften können.
– Wie starte ich die Fahrradsaison richtig?
– Zum Tag der „Burgers“, Tipps vom Profi. Wie burgere ich gekonnt?
– Wie bringen wir Tirol zum Blühen?
– Was macht eine moderne Oper modern?
– Wie oft soll man die Flaschen des Flaschensprudlers reinigen?

Wer sich nur ein bisschen um die Trends bemüht, wird Sinn in Hülle und Fülle finden.
Die einzelnen Trends lassen sich übrigens bestens individuell kombinieren und ergeben so einen persönlichen Sinn.

Ich habe für mich spontan eine Sinnstiftung angelegt.

STICHPUNKT 24|49, geschrieben am 01.06.2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.