Brauchen Lyrik-machende Personen einen eigenen Aufmerksamkeitstag?
1.
In den Regionalmedien werden regelmäßig Thema ausgerufen, um die Bevölkerung zu triggern und ihr den Gedanken hineinzupressen, dass die Heldinnen des Tages endlich ausreichend gefördert werden müssten.
Dabei kreist alles um die beiden Schwerpunkte „Menschsein“ und „Konsum“, was manche für das Gleiche halten, weil Menschsein ja Konsum bedeutet und umgekehrt.
In Fällen wie Blutspende-Tag, Transplantation-Tag oder Autismus-Tag handelt es sich um menschliche Bedürfnisse, die unter Hochachtung der Betroffenen subtil behandelt werden müssen.
In Fällen wie Tag der Almhütte, Tag der Blasmusik und Tag der Kichererbse steht der pure Befehl im Vordergrund: Kauf!
Hier kann etwas rustikaler vorgegangen werden, indem man einfach den Lifestyle zum Konsumgut und die Kundschaft für blöd erklärt.
(Beispiel: Geh auf die nächste Hütte und friss Harry aus der Hand, während er einen Witz erzählt!)
2.
In Tirol gibt es ein paar hundert Lyrik machende Personen, die nicht recht wissen, zu welcher Gruppe sie gehören.
Handelt es sich um ein medizinisches Problem, das mit Hochachtung gewürdigt und geheilt werden soll, oder um ein wirtschaftliches, indem zu wenig Leute eine gute Lyrik kaufen?
In germanistischen Analysen taucht manchmal die These auf, dass es sich bei Lyrik um eine besondere Form von Autismus handelt.
Wie gut also, dass im Juni der „Tag des Autismus“ stattfindet.
An diesem Tag könnte man vielleicht die Parallelität zwischen Autismus und Lyrik als besonders relevant herausstreichen.
3.
Überlegung:
Wenn man im Beitrag den Schlüsselbegriff „Autismus“ mit „Lyrik“ ersetzt, tut sich plötzlich eine neue Welt auf, die ungemein faszinierend sein könnte.
Autisten bekommen in Tirol wenig Hilfe
In Tirol leben 7.000 Menschen mit einer Autismus-Diagnose. Dennoch mangelt es in Tirol an vielem, was die Unterstützung für autistische Personen betrifft, kritisiert man bei der Autistenhilfe Tirol.
Acht Monate müssen Kinder und Jugendliche derzeit in Tirol auf einen Termin für eine Erstdiagnostik warten, dann dauere es noch weitere Monate bis die Diagnose feststeht.
Für Erwachsene gebe es überhaupt keine Institution, die eine Diagnose stelle.
In Tirol gebe es einen Mangel an Fachkräften beim Thema Autismus – und das Land Tirol erkenne nur von wenigen Stellen eine Autismus-Diagnose an.
Selbst Erwachsene würden oft nicht die entsprechende Diagnose haben.
Drei Hauptmerkmale bei Autismus
– Im sozialen Bereich hätten solche Personen eine andere Wahrnehmung und andere Reaktionen. Händeschütteln könne etwa als schmerzhaft empfunden werden oder Blickkontakt werde vermieden.
– Im Bereich der Wahrnehmung würden solche Personen Details oft stärker wahrnehmen und die Sinne seien oft über- bzw. Unterempfindlich.
– Der dritte Bereich betreffe die Interessen: Der Bereich der Interessen sei eingeschränkt, was man positiv aber auch als „Spezialisierung“ bezeichnen könne.
Manche Menschen mit einer autistischen Störung würden den Einstieg ins Berufsleben gut schaffen, andere aber in der Langzeitarbeitslosigkeit landen. Hier brauche es oft im Beruf eine entsprechende Unterstützung, denn während solche Personen in gewissen Bereichen sehr gute Arbeit leisten können, können sie etwa große Schwierigkeiten haben, eine Teambesprechung oder ein Telefonat zu erledigen.
red, tirol.ORF.at 15/06/24
4.
Eine Doppel-Frage dürfte am Schluss freilich unbeantwortet bleiben:
Sind Autisten per se unglücklich, wenn ihnen nicht geholfen wird?
Sind Lyriker per se kaputt, wenn sie nicht gelesen werden.
STICHPUNKT 24|56, geschrieben am 20.06.2024