(c) Helmuth Schönauer

Altlandeshauptmann braucht Refreshment

5 Minuten Lesedauer

Aus der ehemaligen WE wird durch Refreshment „Tiroler Wohnungsbau“, um darin diskret und unverschämt den Altlandeshauptmann unterzubringen.

1.
Wenn etwas refreshed wird, ist Feuer am Dach. Hinter dem erfrischenden Wort steckt meist eine völlige Umstrukturierung einer Firma, nach deren Abschluss kein Stein auf dem anderen bleibt.

Den Immobilien-Liebhabern dient die jetzt selige Signa-Holding als abschreckendes Beispiel. Oft im Wochenrhythmus hat sie Teile ihres Imperiums verändert, verschleiert, abgestoßen oder einfach umbenannt.

Wenn in diesem Sommer aus der als seriös geltenden „Wohnungseigentum“ plötzlich eine „Tiroler Wohnbau“ entsteht, werden manche hellhörig, was geht da vor?

2.
Während die „Wohnungseigentum“ optisch die Farbe gewechselt hat, ist ihr politischer Hintergrund offensichtlich gleich geblieben.
Der Altlandeshauptmann wird nach einer ersten Presseinformationen „Aufsichtsratschef bei der gemeinnützigen Wohnungseigentum WE“.
Diese Schlagzeile wirkte aber selbst für die ÖVP abschreckend bis ungünstig, weshalb man gleich den Namen der gestandenen Marke änderte.

Mit dem Relaunch kann man nicht nur den neuen ÖVP-ler reinwaschen, indem man der Firma einen neuen Namen gibt, sondern auch eine sogenannte Altlast aus der ehemaligen Regierung kann elegant neu implementiert werden.
Damit bringt man endgültig das Geschmäckle weg, dass in der WE immer ausgeschiedene Regierungsmitglieder untergebracht werden müssen.

(Der Geschmäckle-Fall und jetzige Geschäftsführer musste damals im Zuge der Penthouse-Affäre als Landesrat den Hut nehmen, weil er – offiziell bei der Mama im Sozialbau gemeldet – in einer günstigen Luxuswohnung eines Schilift-Kaisers untergebracht war.)

3.
Juristisch hellhörige Personen stellen sich die Frage, ob durch den Relaunch von Farbe, Vorstand und Name nicht der Verkauf des Immobiliengebildes vorbereitet werden soll.

Geschäfte lassen sich am Wohnungsmarkt nur machen, wenn ständig etwas verkauft wird, aber nicht mit dem Wohnen selbst.

Tatsächlich unterliegt die ehemalige WE den Marktgesetzen in Tirol, das heißt, dass das bloße Wohnen nichts bringt, nur mit dem Versiegeln von Gelände und dem Ausbauen von Spekulationskubatur lassen sich Geschäfte machen.

Die alte WE hat beispielsweise den Sektor Hausverwaltung bis zur Vergrämung der Wohnenden heruntergefahren, weil mit eingesessenen Wohnungseigentümern kein Geschäft zu machen ist.

4.
Philosophisch inspirierte Marketingstrategen weisen schon länger darauf hin, dass das Wort „Eigentum“ sehr ungünstig im Zusammenhang mit Wohnen ist. Zu sehr ist das Eigentum nämlich zu einer bloßen Spekulationsmasse an den Börsen geworden, das zudem als zu statisch für die dynamische Wirtschaft gilt.

Der Markenname Wohnbau ist hingegen aktiv, da tut sich was, es wird gebaut und davon abgelenkt, dass hinterher wieder einmal die Besitzenden mit zusätzlichem Eigentum ausgestattet sind.

Politisch reißen nur jene Parteien etwas, die sich um das verbale Anschaffen von Wohnungen kümmern, nicht aber jene, die auf das bestehende Wohngut achten.

5.
Die argwöhnischen Konsumenten des Refreshments haben ab und zu mit trivialen Ängsten zu kämpfen.
a) Sind meine Grundbuch-Einträge überhaupt sicher, wenn die errichtende Wohngesellschaft aus heiterem Himmel Name und Statuten ändert?
b) Bleiben die Baupläne, Servitute, Verkabelungsorganigramme und Versicherungen der alten WE bestehen, wenn plötzlich der Tiroler Wohnungsbau daraus wird? 
c) Können wir unsere heißgeliebte Eingangstür behalten, auf der in einem protzigen Knauf aus den 1970ern das Emblem WE entgegenwankt, sobald man die liebgewonnene Anlage als Stück Heimat betritt?

6.
Verharmloser des Problems weisen darauf hin, dass rund 64 Prozent aller Haushalte mit Wohnungseigentum in Österreich ein Erbe beziehungsweise eine Schenkung von ihren Eltern erhalten haben.
„Der Anteil an Haushalten, die im Eigentum wohnen, ist insgesamt relativ stabil. Innerhalb des letzten Jahrzehnts ist er von 50 Prozent auf 49 Prozent gesunken.“ (Der STANDARD, Juli 2024)

Auf dieses Absinken des Eigentumssegmentes hat offensichtlich die Politik samt Altlandeshauptmann prompt reagiert und den Namen WE im Archiv versenkt.

STICHPUNKT 24|72, geschrieben am 15.09. 2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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