Tirol ist mit Tourismus überfüllt! – Dieser Satz findet bei jeder Umfrage Zustimmung.
Die Stimmung gegen dieses touristischen Völlegefühl kann nur aufgehellt werden, indem man fallweise die Touristen mit befragt.
Jemand, der im Hotel noch ein freies Bett gefunden hat, wird nicht zugeben, dass es beim Frühstück schon ziemlich voll vor dem Buffet geworden ist.
Und auch auf den Wanderwegen und Pisten wird es zwischendurch „Schwarz vor Crowd“, aber das erhöht höchstens den Effekt, dass man etwas richtig macht, wenn es viele machen.
Die meisten sagen sich, ich habe am Portal zwar was Leeres gebucht und bin offensichtlich selber schuld, wenn es jetzt zu voll wird.
Die sogenannten indigenen Tirolernden haben es längst aufgegeben, über das Völlegefühl im Land zu jammern. Sie stehen einer Öffentlichkeitsarbeit diverser Wirtschaftszweige gegenüber, gegen die sie chancenlos sind.
Längst nämlich stammen Meinungsmacher, Meinungsvertreter und Meinungskonsumenten aus dem gleichen kulturellen Kochtopf, in dem tagaus tagein die gleiche Suppe des Tourismus gesotten wird.
Dabei haben wir uns daran gewöhnt, dass das sogenannte Touristische Tagblatt (TT) die Denkhoheit über alle Thinktanks im Lande übernommen hat. Täglich werden wir mit Ausbauten, Schneelagen und Nächtigungs-Highlights überflutet, sodass unsereins nur mehr die Todesanzeigen liest, um zu sehen, zu welchem Ende dieser Tiroler Wahnsinn führt.
Und auch die öffentlich-rechtliche Anstalt ist jeden Tag am Senden von touristischem Text.
Was soll eigentlich so eine Nachricht, die regelmäßig über den Zwangsgebühren-Rundfunk abgestrahlt wird?
Sommer mit leichtem Minus in Schlussbilanz
Mit einem Nächtigungsplus zum Abschluss im Oktober ist das erwartete leichte Minus für die Sommersaison in Tirol leicht verringert worden. In der Endabrechnung gingen die Gästeübernachtungen von Mai bis Ende Oktober um 0,3 Prozent zurück. Die Tirol Werbung spricht von einem „ausgeglichenen Ergebnis“ – gemessen am Spitzensommer 2023.
red, tirol.ORF.at 22.11.24
Im Text wird aufgeführt, dass man zu anderen Ergebnissen kommt, wenn man Winter- und Sommersaison getrennt rechnet, dass manche Zahlen steigen, das Völlegefühl aber subjektiv ist. Ein ganz kleines Minus zwischendurch kann das subjektive Völlegefühl sogar bekämpfen.
Aha, es gibt also eine eigene Sprache im Tourismus, um die Indigenen restlos einzulullen und an der Nase herumzuführen.
Interessant sind immer Statements von Marketing-Leuten, die auf Bestellung schöne Designer-Beispiele liefern.
Einer hat neulich empfohlen, mögliche Kriegsereignisse im Zusammenhang mit der Ukraine in der sanften Sprache des Tourismus zu kommentieren.
Empfohlenes Beispiel:
Überraschend viele Marschflugkörper sind eingereist und fühlen sich in Tirol auf Anhieb wohl.
Vielleicht ist das der Sinn des Tourismus, dass wir immer eine blöde Formulierung bei der Hand haben, wenn etwas Unangenehmes passiert.
Nach einem erfüllten Leben in seinem 300-Betten-Hotel ist der Besitzer in einem davon sanft entschlafen.
STICHPUNKT 24|95, geschrieben am 26.11. 2024