Wo der Mythos vom geilen Leben zu Hause ist.
Abgesehen von Witterung, Sprache, Architektur, Bevölkerung und Image gleichen sich Los Angeles und Tyrol bis aufs Haar.
Warum wird dann trotz der Unvergleichbarkeit Los Angeles am Rand des Pazifik immer wieder mit dem Wunderland Tirol mitten in den Alpen verglichen? – Weil beides Mythen sind, die zu erreichen man Weltreisen antritt.
Der Mythos am Pazifik gleicht jenem in den Alpen vor allem in puncto Schriftzug und Körperkultur.
Wenn du von weitem den Schriftzug HOLLYWOOD liest, verwandelt sich die Welt in ein Epos, in dem alle Filme wie elementare Gefühle verhandelt werden.
Wenn du vom Innsbrucker Bergisel aus auf die steile Nordkette siehst, springt dir der mythische Schriftzug wie Schuppen von den Augen: FRAU-HITTI-WOOD!
Ein seltsames Wummern bei vor Staunen offenem Mund ein setzt ein.
Es geht um Hedonismus, Körperkultur, Woke und Wave!
Die People sind ständig mit Sportgeräten unterwegs, um am Berg oder im Ozean die richtige Welle zu erwischen.
Sie sprechen eine eigene Sprache, die in verbalen Emoticons das nicht enden wollende Gefühl von Körperglück beschreiben.
Die Sonne mag aufgehen oder untergehen und einen Zyklus haben, der Körper jedoch hat keinen Raum und keine Zeit, wenn er sich zum unendlichen Gefühl von Glück zusammenzieht: Ein GPS-Punkt auf dem Navi von Lebensgefühl.
Freerider und Freesurfer brauchen keine Infrastruktur, keine Parkplätze für ihre Anreisen, keine Straßen. Während sie anreisen, sind sie im Netz auf eigenen Frequenzen unterwegs, die sie die Umgebung wegbeamen lassen.
Aus ganz Amerika reisen die Surfer weggeschaltet von der Realität in L. A. an und wissen nicht mehr, woher sie stammen, wenn sie das Bord besteigen.
Aus ganz Europa strömen die Freerider nach Innsbruck, ihnen machen Staus nichts aus, denn die echten Lebenskünstler kommen mit dem Charterflug, weggeschaltet von Einheimischen oder sonstigen uncoolen Typen.
Im TV sehen wir später Helikopter aufsteigen, wenn diese sie bodenständigen Kretins hochfliegen um die Verschütteten auszugraben, die sich oft kurz schütteln und ohne ein Dankeswort weiterfahren.
Auch das Beach-Personal ist angehalten, verunglückte Surfer möglichst kurz und intensiv zu reanimieren, damit diese schnell wieder aufs Bord zurückspringen können in Richtung Pazifik.
Freilich strömen zu manchen Zeiten Katastrophenjournalisten durch die Areale der Fitness.
Rund um den Hollywood-Schriftzug brennt es, manche Häuser sollen sogar sich selbst aufgegeben haben und zusammengefallen sein, Brandgeruch soll es geben bis weit in die Wellen hinaus.
Und auch rund um die Frau Hitt soll es immer wieder zu Lawinen, Steinschlag und Wutausbrüchen des Permafrosts kommen.
Aber diese Geschichten können dem Mythos von der Strahlkraft der Körperkultur nichts anhaben.
In Städten wie Los Angeles oder Innsbruck sind an jeder Ecke Fitness-Studios aufgebaut, in denen man sich stärken kann auf dem Weg ins Wasser oder in den Schnee.
Wer nicht rechtzeitig ins Fitnessstudio abbiegt, soll hinter der nächstbesten Ecke Obdachlose sehen, die am Gehsteig campen. Auch diverse Pulver sollen herumliegen und mit dem erdenklich kleinsten Geldschein aufgesogen werden.
Alle paar Stunden sollen Kehrmaschinen unterwegs sein, um die Ausscheidungen des Körperkultes zusammenzufegen.
L. A. – Tyrol ist das Paradies. Während in den Hauptstädten Washington / D.C. und Wien / Moskau seltsame Typen die Regierungen übernommen haben, geht man in diesen mythischen Körperkult-Städten einfach in die Hocke und lässt es tuschen.
STICHPUNKT 25|12, geschrieben am 04.02. 2025