Meine heurigen zwei Grippeanfälle haben jeweils mit einem Schwächeanfall vor dem Fernseher begonnen.
1.
Seit Nachrichten im Minutentakt auf das Handy einschlagen und am Display aufpoppen, hat der gute alte TV-Bildschirm an Relevanz verloren.
Während er früher einmal als zweiter Herrgottswinkel in den Fertigteil-Stuben aufgestellt wurde, damit sich davor die Familie zum abendlichen Abzählen ihrer Vollständigkeit einfinden konnte, stehen die TV-Geräte heute nur mehr als Dekorationsobjekte mit bewegten Bildern in diversen Seniorenräumlichkeiten herum.
Wenn jemand fernschaut, dann meist als Ergänzung zu Snacks und Drinks, auf die man es aus Gewohnheit abgesehen hat. Die klassische Ausrede funktioniert zumindest für den Eigengebrauch immer noch: Das Programm ist so flach und fad, dass ich dazu etwas Salziges und Euphorisierendes zu mir nehmen muss.
Hinter dieser Erfahrung steckt freilich der wahre Sinn des Fernsehens. Dieses ist mittlerweile mit KI dermaßen flach-gebügelt, dass der Inhalt obsolet wird. Man denke nur an den Einheitskrimi, der mit verschiedenen Vorspannen Tag und Nacht gesendet wird,
Tatsächlich spricht niemand mehr über das TV-Programm, das einem mit Zwangsgebühr täglich zugestellt wird, sondern über die Körperzustände, die es auslöst.
So ersetzt an manchen Tagen der Bildschirm das Fieberthermometer samt Blutdruckgerät. Wenn es statt am Bildschirm im Körper zu flimmern beginnt, ist meist eine Grippe oder sonstige Marodness im Anmarsch.
Der Körper reagiert an solchen Tagen mit Apathie und Unkonzentriertheit, der TV-Konsument starrt in ein Zwischenreich aus Meditation und Halluzination und führt diesen schwammigen Körperzustand mal auf sich selbst, mal auf das TV-Programm zurück.
Im Volksmund spricht man längst vom Körperfernsehen, das bei der Diagnose diverser Auswüchse von Niedergeschlagenheit wertvolle Dienste leistet.
Oft genügt es anderntags beim Besuch der Hausärztin, das TV-Programm des Vortags zu schildern, und schon kann sie eine feine Diagnose mit smarter Medikation stellen.
Diese Auszuckungen beim Körperfernsehen haben zusätzlich den Effekt, dass man sich später besser an die Krankheit erinnern kann, wenn man das auslösende Programm memoriert.
2.
Meine heurigen zwei Grippeanfälle haben jeweils mit einem Schwächeanfall vor dem Fernseher begonnen.
Einmal habe ich bei Markus Lanz die Diskussion von vier Pädagogen über die Schule gesehen und bin mitten drin krank geworden, als die Verdoppelung der Wörter durch schulisches Gendern nicht mehr aufhören wollte. Nach der zweihundertsten Verwendung des Begriffspaares Schüler-Schülerin bin ich krank geworden, die Grippe hat gut acht Tage gedauert.
Das zweite Mal habe ich bei servus tv ein deutsches Pokalspiel geschaut, die Paarung habe ich vergessen, erinnerlich ist mir das Trommeln im Stadion, das sofort zu einer Erkrankung der Atemwege geführt hat. Ich weiß nicht, wie das Match ausgegangen ist, jedenfalls war ich fünf Tage lang mit dem eigenen Körper ziemlich bedient.
3.
In seltenen Fällen freilich führt Körperfernsehen zur Genesung.
Im Spital gilt es nach einer OP als gutes Zeichen, wenn die Operierten aufwachen und auf den Bildschirm starren, auf dem „Tirol heute“ stumm geschaltet ist. Diese Sendung wird vor allem zur Stärkung des Immunsystems ausgestrahlt.