Nichts ist zugleich so schwierig und so einfach, wie zu glauben. Denn während viele erwachsene Menschen heutzutage ihre (begründeten) Schwierigkeiten damit haben, kann es dennoch jedes Kind, indem es vertraut, bestärkt durch die Liebe seiner Eltern und die ihm natürlich eingeborene Neugierde auf die Welt, in welcher es zum Leben gekommen ist.
Erst mit der Zeit und dem anwachsenden (scheinbar alles umfassenden) Wissen verlieren wir unseren (kindlichen) Glauben, oftmals dadurch begründet, dass zu glauben und zu wissen einander ausschließen: „Wer nichts weiß, muss alles glauben!“[1]
Aber hieße das nicht, jene Leiter fortzuwerfen, auf deren Sprossen wir zur Höhe des Wissens aufgestiegen sind, und noch schlimmer: unsere Hoffnung damit zu verlieren? „Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung. Denn wer hofft, was er sieht?“[2]
Mit anderen Worten: Der Glaube ist (auch) ein Urheber des Wissens, nicht aber sein Gegensatz oder gar ein irrationales Vorstadium, das überwunden werden müsste.
„Denn Gott ist nicht etwas Unvernünftiges, sondern allenfalls Geheimnis. Das Geheimnis wiederum ist nicht irrational, sondern Überfülle an Sinn, an Bedeutung, an Wahrheit. Wenn der Vernunft das Geheimnis dunkel erscheint, dann nicht, weil es im Geheimnis kein Licht gibt, sondern weil es vielmehr zuviel davon gibt. So sehen die Augen des Menschen, wenn er sie direkt auf die Sonne richtet, um sie zu betrachten, nur Finsternis. Aber wer würde behaupten, dass die Sonne nicht leuchtet, ja sogar die Quelle des Lichts ist? Der Glaube gestattet es, die ‚Sonne’, Gott, zu betrachten, weil er die Annahme seiner Offenbarung in der Geschichte ist. Er empfängt sozusagen wirklich die ganze Helligkeit des Geheimnisses Gottes und erkennt sein großes Wunder: Gott ist zum Menschen gekommen, er hat sich seiner Erkenntnis dargeboten, indem er sich zur kreatürlichen Grenze seiner Vernunft herabgelassen hat[3]. Gleichzeitig erleuchtet Gott mit seiner Gnade die Vernunft, öffnet ihr neue, unermessliche und unendliche Horizonte. Daher stellt der Glaube einen Ansporn dar, immer zu suchen, nie stehenzubleiben und sich in der unermüdlichen Entdeckung der Wahrheit und der Wirklichkeit nie zufriedenzugeben. Das Vorurteil gewisser moderner Denker, denen zufolge die menschliche Vernunft von den Glaubenssätzen gleichsam blockiert werde, ist falsch. Genau das Gegenteil ist wahr, wie die großen Meister der katholischen Tradition gezeigt haben.
[…] Auf diesen Voraussetzungen hinsichtlich der fruchtbaren Verbindung zwischen Verstehen und Glauben gründet auch die positive Beziehung zwischen Wissenschaft und Glaube. Die wissenschaftliche Forschung führt zur Erkenntnis immer neuer Wahrheiten über den Menschen und über den Kosmos, das sehen wir. Das wahre Wohl der Menschheit, das im Glauben zugänglich ist, öffnet den Horizont, in dem sich ihr Weg der Entdeckung bewegen muss. […] So gerät der wirklich gelebte Glaube nicht in Konflikt mit der Wissenschaft, sondern wirkt vielmehr mit ihr zusammen, indem er ihr Grundkriterien bietet, damit sie das Wohl aller fördern kann, und sie bittet, nur auf jene Versuche zu verzichten, die – da sie sich dem ursprünglichen Plan Gottes widersetzen – Wirkungen hervorrufen können, die sich gegen den Menschen kehren. Auch aus diesem Grund ist es vernünftig zu glauben: Während die Wissenschaft eine wertvolle Verbündete des Glaubens ist, um Gottes Plan im Universum zu verstehen, sorgt der Glaube dafür, dass der wissenschaftliche Fortschritt stets dem Wohl und der Wahrheit des Menschen dient, indem er diesem Plan treu bleibt.“[4]
Glaube heißt also, vertrauen zu müssen, und hoffen zu dürfen, sowie dem Zweifel begegnen zu können; nicht ausschließlich zu sehen, sondern auch einen Sinn hinter den Dingen zu erkennen, und noch vieles mehr. Vor allem jedoch steht der Glaube dem Wissen und seiner Vermittlung wie der Vernunft ganz allgemein nicht entgegen.
Haben wir darum (als Erwachsene) das Vertrauen der Kinder, zu erfahren und zu lernen, indem wir glauben, mit der Hilfe von Gott, unserem Vater.
Martin Kolozs, Januar 2016
Die zweite Folge erscheint zum Monatswechsel Januar/Februar 2016
[1] Buchtitel von Science Busters
[2] Römer 8, 24-25
[3] vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution ‚Dei Verbum’, 13
[4] Papst Benedikt XVI., Generalaudienz vom 21. 11. 2012
Artikelbild: (c) PiConsti, Noche De Los Muertos, flickr.com