Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf: Liebt einander![1]
Wenn man über den Glauben nachdenkt, muss man sich auch die Gretchenfrage stellen (lassen): „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“[2], und klären, ob und wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Weit verbreitet ist gegenwärtig ja die Meinung, man könne zwar glauben, müsse dafür aber nicht unbedingt ein religiöses Leben führen, also keiner Konfession angehören, welche zur Glaubenspraxis auch die (unbedingte) Einhaltung verschiedener Regeln und Gebote fordert.
Vielmehr und lieber bastelt man sich also seine „Privatreligion“ zusammen, indem man sich aus verschiedenen Spiritualitäten bedient und seinen Glauben danach ausrichtet, ungeachtet dessen, ob die einzelnen Versatzstücke zueinander passen; denn bei einem inneren oder äußeren Widerspruch lässt sich dieses heterogene System ja jederzeit erneut umbauen und an die veränderte Situation angleichen.
Dass darin aber eine Gefahr der Willkür und des Relativismus steckt, darauf hat uns Papst Em. Benedikt XVI. bereits aufmerksam gemacht: „Wie viele Glaubensmeinungen haben wir in diesen letzten Jahrzehnten kennengelernt, wie viele ideologische Strömungen, wie viele Denkweisen […] Das kleine Boot des Denkens vieler Christen ist nicht selten von diesen Wogen zum Schwanken gebracht, von einem Extrem ins andere geworfen worden […] Jeden Tag entstehen neue Sekten, und dabei tritt ein, was der hl. Paulus über den Betrug unter den Menschen und über die irreführende Verschlagenheit gesagt hat. Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt, wohingegen der Relativismus, das sich ‚vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-lassen’, als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“[3]
Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob der Glaube ohne Religion überhaupt funktionieren würde, denn auch bei einer „Privatreligion“ oder „Quasireligion“, und deren wechselnden Strukturen und Inhalten, handelt es sich letztendlich doch um eine (zumindest zeitlich) verpflichtende Form, wie sie auch die althergebrachten und viel kritisierten Konfessionen vorschreiben; wenngleich für eine weit größere Anzahl von Anhängern.
Wir müssen uns also fragen, was macht eigentlich das Wesen von Glauben bzw. von Religion(-en) aus; gibt es das eine ohne das andere, oder lassen sie sich zwar begrifflich, aber nicht tatsächlich voneinander trennen?
Intuitiv würde ich darauf mit Nein antworten; für mich gibt es keinen Glauben ohne Religion und umgekehrt, was einsichtig ist: Das religiöse Leben gelingt nämlich nur, wenn es von einem lebendigen Glauben getragen wird, der wiederum in der alltäglichen Praxis von Religion sichtbar und dadurch erst teilbar wird, was infolge die Gemeinschaft und die Verantwortung für meine Mitgläubigen und alle Menschen (als Gottes andere Kinder) stiftet.
Mehr noch: Ich bin der Überzeugung, dass Gott in uns alle den Glauben als Fähigkeit angelegt hat („… ich habe euch erwählt …“) und dass die Religion, welche wohl ein notwendiger Ausdruck dieses „eingeborenen Talents“ ist, die formale Rückbindung an unsere himmlische Herkunft ist, wie es uns die Etymologie des lateinischen „religare“ ja bestätigt: „verbunden sein“.[4]
Mit etwas Phantasie lässt sich im Wort „Religion“ auch noch das Wort „eligo“ entdecken, was soviel wie „ich wähle“ bedeutet, und für mich die grundsätzliche und unumkehrbare Entscheidung des Menschen deutlich macht, durch seine Religion den Glauben an Gott sichtbar zu machen.
Dass diese Religion aber nicht privat sein darf, sondern nur in der mitverantwortlichen Gemeinschaft bestehen und wachsen kann, entnehme ich der allgültigen und ewigen Weisung unseres Herrn Jesus Christus: „Liebt einander!“
Martin Kolozs, 25. Januar 2016
Die dritte Folge erscheint am 14. Februar 2016
[1] Johannes Evangelium 15, 14-17
[2] Johann Wolfgang von Goethe, Faust 1
[3] Predigt vom 18. April 2005, St. Peter, Rom
[4] Etymologisch wird der Begriff „Religion“ u. a. von den lateinischen Worten „religere“ (seine Pflicht erfüllen), „relegere“ (wiederlesen) und „religare“ (verbunden sein) abgeleitet.