Du fragst mich, was Glaube ist #6

31. März 2016
1 Minute Lesezeit

Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.[1]
Letztens erhielt ich von einem guten Freund einen Brief, in dem er mich sinngemäß fragte, ob man Mitglied der/einer Kirche sein muss, um als gläubig zu gelten, oder anderes ausgedrückt: Gibt nur und ausschließlich die Kirche den Weg vor, auf welchem wir zu Gott gelangen?
Ich kenne diese Frage gut, und kann gar nicht mehr zählen, wie oft sie mir schon gestellt wurde, meistens indem man darauf verwiesen hat, dass Gott ja den Menschen an sich und nicht den Christen, Juden oder Muslim im Besonderen liebt.
Das mag wohl stimmen, und ich würde es auch als eine erste wichtige Erkenntnis in der Gott-Mensch-Beziehung bezeichnen, aber eben nicht als die einzige.
Im „Brief an die Hebräer“ steht zum Beispiel: „Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen. Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander …“[2]
Darin steht viel Wahres, das uns den Sinn der Kirche, die zuallererst Gemeinschaft ist, erschließt, nämlich, dass wir zusammen, als Gemeinde, den persönlichen Glauben, welcher die Liebe des Einzelnen zum himmlischen Vater ausdrückt, in Verantwortung einander verständlich machen und davon Verbindliches ableiten.
Mit einfacheren Worten: Die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen trägt dafür Sorge, dass der Glaube des Einzelnen nicht etwa durch persönliche Motive verwässert wird, sondern in Vergleich und Abstimmung mit anderen Glaubenseinsichten stark bleibt und weiterhin wächst.
Als Antwort auf den Brief meines Freundes würde ich darum meinen: Der Mensch braucht keine Kirche, um gläubig zu sein, denn dieses ist der ihm eigene Ausdruck seine Liebe zu Gott, der ihn wiederum als Mensch geschaffen hat und liebt[3], zu zeigen, aber er braucht Kirche als eine Gemeinschaft, die den Glauben feiert und in gegenseitiger Vorsicht vor Egoismen und Ähnlichem schützt: „Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten … Denn Gott hat ihn angenommen … Lasst uns also nach dem streben, was zum Frieden und zum Aufbau der Gemeinde beiträgt …“[4]
Martin Kolozs, 24. März 2016
Die siebte Folge erscheint zur Monatsmitte April 2016


[1] Mt 18,20
[2] Hebr 10,24-25
[3] Vgl. Gaudium et spes 19,1
[4] Vgl. Röm 14,1-23

Titelbild: (c) Waiting for the World; flickr.com

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