Du fragst mich, was Glaube ist #23

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Glaube hilft.
Der Blick in die Zeitung, auf die sozialen Plattformen und schweifend über die Kommentarspalten darunter, in denen hauptsächlich Streit und Herzlosigkeit den Ton angeben, lässt mich meine eigenen Schwächen in den alltäglichen Meinungen und dem Handeln, welches sich daraus ergibt, erkennen; und ich denke, dass es anderen dabei ebenso ergehen muss, wenn sie, wie ich, feststellen, selbst eine Stimme in dem Chor zu sein, der lauthals Marsch- und Spottlieder singt, und vielleicht den düsteren Soundtrack zu einem Racheepos beisteuert, der Menschenleben und –würde gering schätzt und allein die Befriedung der eigenen Wut zum Ziel hat.
Ich könnte nun eine lange Liste an Beispielen dafür anführen, möchte mich aber mit einem aktuellen begnügen, weil es sowohl meinen persönlichen Wandel beschreibt, als auch durch seine Brisanz die Herausforderungen des Glaubens aufzeigt, worüber ich schließlich sprechen möchte:
Vor Kurzem ist in den USA ein 22-jähriger Attentäter zum Tode verurteilt worden; sein Verbrechen: Er erschoss neun Menschen in einer Kirche, während ihres Gebets, aus rassistischen Gründen.[1]
Der Schmerz, der durch diese Tat verursacht wurde, kann nicht einfach in Worte gefasst bzw. tröstend gestillt werden, auch wenn das Urteil über den Täter diesen Versuch unternimmt, indem es seinen Tod als Wiedergutmachung einsetzt.
Dabei denke ich an den Film „Dead Man Walking“ (1995), den ich als Jugendlicher gesehen habe, und der zwischen mir und meinen Freunden einen Disput erzeugte; damals war ich der Überzeugung, dass die Todesstrafe dem Opfer wie seinen Angehörigen so etwas Gerechtigkeit widerfahren lässt, weil die Hinterbliebenen dadurch nicht weiterhin mit dem Mörder ihrer Tochter auf einer Welt leben müssten. Mein Argument war: „Wer das Recht auf Leben einem anderen abspricht, kann sich selbst nicht darauf berufen.“
Heute denke ich anders! Warum?
Würde ich es mir einfach machen, könnte ich mich als Christ auf das 5. Gebot berufen: „Du sollst nicht töten!“; aber an einer Regel festzuhalten, ist eben nicht dasselbe wie davon überzeugt zu sein … daran zu glauben.
Wer nämlich Nächstenliebe predigt, muss auch die Feindesliebe üben, nur so hören und verstehen wir Jesu Weisungen richtig: „Euch, die ihr mir zuhört, sag ich: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen. So werdet ihr Kinder eures Vaters im Himmel sein. Wenn ihr nur liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. Und wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. Und wenn ihr nur denen etwas leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern in der Hoffnung alles zurückzubekommen. Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet [Kinder] des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“[2]
Nach menschlichem Ermessen scheint diese Aufgabe nicht erfüllbar zu sein; zu stark zerren die negativen Gefühle an uns, nicht nur im Fall des Attentats von Charleston … die Nachrichten sind voll davon!
Anderseits sind wir jedoch nicht allein in diesem inneren Kampf; der Glaube kann uns darin helfen.
Ich schreibe das nicht im missionarischen Eifer, sondern mit der Überzeugung eines Menschen, der sehr wohl Wut, Neid, Gier, Rachedurst usw. empfindet, aber mit ein wenig „Hilfe von oben“ – nicht immer – diese überwinden kann, weil man im und durch den Glauben manchmal mehr zu leisten und geben imstande ist, als ohne.
 
Martin Kolozs, 11. Jänner 2017
(Die nächste Folge erscheint zum Monatswechsel Jänner/Feber 2017)
[1] Vgl. Link: http://diepresse.com/home/panorama/welt/5152039/USA_Attentaeter-von-Charleston-zum-Tode-verurteilt?_vl_backlink=/home/panorama/index.do
[2] Lk 6, 27-36

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