Glauben heißt fragen
Dass Glaube nichts mit Wissen zu tun hat, besagt schon ein altes Sprichwort, das ich seit Kindesbeinen an höre; und in letzter Zeit wird mir auch immer wieder gesagt, zu glauben wäre im Allgemeinen recht unvernünftig usw.
Diese und jene Aussagen aus der kürzeren Vergangenheit haben mich nachdenken lassen, über den Glauben im Großen und Ganzen und die vermeintliche Tatsache, dass man, wenn man gläubig ist, ein unkritischer Geist, ein leicht zu manipulierender Mensch, ja, eine Person ist, die nichts hinterfragt.
Ich sage: Nein, das stimmt nicht! Ganz im Gegenteil: Wer glaubt, fragt (sehr wohl)! Nach Sinn und Zweck des Lebens, seinem Ursprung und die Lebensfrage schlechthin: Sind wir allein und ganz auf uns selbst verworfen?
Zugegeben, es ist eine andere Art des Fragens, eine die im Vertrauen auf Antwort hofft, oder anders gesagt: die Antworten hört (will sagen: wahrnimmt), welche nach empirischen Gesichtpunkten zwar keine Beweise darstellen, aber im menschlichen Kontext, wo Liebe und das Fühlen überhaupt eine große Rolle spielen, von starker Überzeugungskraft sind.
Was ich eigentlich damit sagen will, ist: Ein bestimmt sehr wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Aspekt des gelebten Glaubens ist das (Hinter-)Fragen. Denn der Gläubige ist kein Roboter, der willenlos Befehle ausführt, oder ein geistloser Lehmkörper, der tut, was so und so schon immer getan wurde, ohne ein Gespür dafür zu entwickeln, was im Hier und Jetzt vonnöten ist. Nicht umsonst heißt es: „Nicht aufhören soll der Suchende zu suchen, bis er findet!“[1]
Martin Kolozs, 16. Juni 2017
Die nächste Folge erscheint zum Monatswechsel Juni/Juli 2017
[1] Thomas 2 (apokryphes Evangelium)