Dieser Sommer hat sie mir in ungeahntem Ausmaß beschert. Der Apfelbaum hängt schwer mit roten Äpfelchen, und er schwirrt auch gelb-schwarz gestreift. An ein entspanntes Limonadentrinken oder Kuchenessen im Garten ist nicht mehr zu denken. Also kaufe ich billigen Sirup, greife zu den im Keller gelagerten Wespenfallen … Doch halt! War da nicht die Rede vom Insektensterben? Von 70 und mehr Prozent an Verlusten gegenüber früher? Und davon, dass die von mir heißgeliebten Vögel von diesem Futter abhängig sind? Sollte ich also jetzt schon das Vogelhäuschen füllen, obwohl der Winter noch weit ist? Irgendwie absurd, oder? Ich spiele in meinem Garten einen alttestamentarischen Gott nach, strecke die einen unbarmherzig nieder und helfe den anderen auf, und mein Ratschluss wird dem einen wie dem anderen als unergründliches Fatum erscheinen. Woher nehme ich das Recht, zu entscheiden, welches Leben lebenswert ist und welches nicht? Es ist ja nicht so wie beim Unkraut, das mir direkt die Nahrung wegnimmt, indem es den Salatkopf unter sich erstickt. Da nehme ich mir ohne Gewissensbisse das Recht des Stärkeren heraus. Das Unkraut wächst ja auch ständig fröhlich nach. Das scheint vom Artensterben, zumindest in meinen Gefilden, noch nicht betroffen. Aber Mücken und Wespen, die mich noch nicht mal gestochen haben? Nur weil ich gern ungestört auf der Terrasse esse, obwohl ich wespensichere Wände besäße, hinter die ich mich zurückziehen könnte? Ich bin also auch so ein typisch verwöhntes westliches Menschenkind, das darauf besteht, alles so bequem wie möglich zu haben und von der echten Natur möglichst nicht behelligt zu werden, obwohl ich meinen Garten mit einem Natur-im-Garten Schild schmücke und bei Fridays for Future mitmarschiere?
Nein! Ich beschließe, zumindest in diesem einen Fall, wo es mich nicht allzuviel Mühe kostet, sogar im eigenen Garten echten Frieden mit meiner natürlichen Umwelt zu schließen, nehme also den Teller und ziehe mich ins Haus zurück und kehre erst danach, mit einem Glas klaren Wasser, zum Terrassentisch zurück. Das gewährleistet eine halbwegs friedliche Koexistenz. Und ich fühle mich für einmal richtig gut als Heldin der Arterhaltung. Bis ich die Schnecke entdecke …