Lange Zeit wunderte ich mich jedesmal beim herbstlichen Holzschneiden, daß die alte Kreissäge immer noch funktionierte. Sie ist fast so alt wie ich. Als meine Eltern das Haus im Wald kauften, 1956, war sie noch nicht da gewesen, und drei Jahre später, als der Papa einen Literaturpreis bekam und – hört, hört! – der Orf Tirol zu uns herauf anrückte und ein paar Meter Film über das Leben der Innergebirgs-Heimatdichter tief im Wald und fern der Zivilisation drehte, war auf diesem Schnipsel Film eben neben dem Herrn Papa auch die Kreissäge zu sehen, mit der er, für einen Literaturbeitrag dramaturgisch gewagt, ein Brett abschnitt.
Ich finde, daß das für ein Elektrogerät doch ein respektables Alter ist. Schon die ganzen letzten Jahre, ein oder zweimal im Jahr, wenn Brennholz geschnitten werden mußte, hielt ich den Atem an, bis sie jedesmal brav und unverdrossen wieder in Schwung kam, kaum hatte man den Einschalthebel umgelegt. Allerdings hatte es, genaugenommen seit etwa vier Jahren, ein leicht röhrendes, leicht scheppriges oder auch schabendes Geräusch aus dem Bereich der Welle gegeben, oder wie man den Teil nennt, der Treibriemen und Sägeblatt verbindet, nicht laut, im Gegenteil so leise, daß man es, wenn man mit ihr nicht vertraut war, wahrscheinlich gar nicht bemerkte, aber eben doch ein bißchen beunruhigend.
Diesmal nun, wie üblich spät im Jahr an einem tiroler Herbsttag, so überirdisch strahlend klar, wie es sich gehört, steigerte sich wenige Minuten nach dem Start dieses Geräusch zu etwas sehr Lautem und sehr Unangenehmem. Es war genau so, wie Maschinen tönen, wenn sie nicht mehr wollen oder nur noch das eine, daß man sie nämlich umgehend abschaltet, andernfalls etwas Unangenehmes passiert oder sie ihren Betrieb ganz einfach einstellen. Das wollte ich nicht so genau herausfinden und schaltete sie gleich ab, und weil es, so weit ich die Welt kenne, ziemlich aussichtslos ist, ein solches Gerät noch einmal reparieren zu wollen, mußte wohl oder übel ein neues angeschafft werden.
Abgesehen davon, daß so ein Ding 100 Kilo wiegt und sich nicht leicht bewegen läßt, bietet das keine besondere Schwierigkeit. Es kostet auch nicht die Welt, sondern nur eine halbe, und so stand dank der Tat- und Muskelkraft und dem Lieferwagen eines befreundeten Klein-Bauunternehmers, das schöne Stück drei Tage später auf dem Vorplatz, in frischlackiertem Orange glänzend neben seinem Vorgänger. Vor dem Kauf hatte ich mich über die verschiedenen Modelle, Preise, Kundenkommentare und dergleichen orientiert, und bei dem favorisierten Modell eine Bemerkung gefunden, das Ding sei nicht leicht zusammenzubauen. Auf die Frage an den Verkäufer, wie sich das mit dem Zusammenbauen verhalte, meine er bloß, „Da sein lei die zwoa Radln zum Anschraufen, sonscht nix“. Viel mehr war es auch nicht, ungefähr vier Teile waren mit insgesamt dreimal so vielen Schrauben am Gerät zu fixieren, und der Vorgang war genau so mühsam und zeitraubend, daß man sich fragte, warum, um alles in der Welt, in der ordentlichen deutschen Fabrik, wo schon vorher alle anderen Bestandteile zusammengeschweißt und geschraubt worden waren, nicht in einem letzten kurzen Arbeitsgang auch das noch erledigt worden war. Was kann das für einen Grund haben?
Da fiel mir das Erste Gebot von Ikea ein, das offenbar auch dieser brave deutsche Kreissägen-Fabrikant einzuhalten versuchte: Waren müssen in Teilen geliefert werden, die der Kunde dann selber zusammenbauen muß. Dieses Gebot, wie es die Art der Gebote ist, wird nicht weiter begründet, hat aber seinen tieferen Sinn. So wird der Kunde, der Stunden mit dem Zusammensetzen eines schlichten Regals verbracht hat, bis dieses endlich steht, eine innigere, ja geradezu intime Beziehung zu dem Regal entwickeln, was sonst nie der Fall sein könnte, wenn es bloß jemand anliefert und in das Eck stellt, wo der Käufer es haben will.