Während der Pandi leiden vor allem jene hochsensiblen Menschen, die zumindest einmal im Jahr eine Ehrung, ein Keks oder einen Preis umgehängt bekommen.
In der Literaturszene wird weniger beklagt, dass die Leute nicht mehr im vollen Umfang jene Dinge lesen, die ihnen als Saisonfrische Waren in Frühjahrs- und Herbstkollektionen angeboten werden. Vielmehr führt das Ausbleiben von Ehrungen zu Antriebslosigkeit und Ermattung.
Dieser Mangel macht der Autorenschaft sowie dem Publikum zu gleichen Teilen schwer zu schaffen.
Längst nämlich ist die Literatur zerfallen in zwei Erscheinungsformen: in den Text und in den Preis.
Beide haben übrigens nichts miteinander zu tun.
Ein Text kann noch so gut sein, er wird nicht geehrt, wenn sein Produzent noch nicht die Geschlechtsreife für Tamtam und Zeremonien erreicht hat. Das pure Zugreifen nach dem Scheck ist zuwenig, obwohl Übergabe-Fotos in der Presse dies suggerieren.
Ein Blick in das „Literaturjahr“ von Wikipedia zeigt, dass stündlich irgendwo Preise übergeben werden. Selbst das Schwarm-Lexikon hat darüber den Überblick verloren.
Um vor allem jenem Publikum, das besonders unter der Preis-freien Zeit leidet, das Gefühl von schönen Zeremonien und Ehr-Mitgefühl zu ermöglichen, stellt das Alpenfeuilleton exklusiv ein paar Beförderte aus vergangenen Tagen vor.
Beförderungen sind nämlich eine besondere Art der Preiswürdigkeit, die freilich nur an Inländer übermittelt werden darf. Aber eine gute Beförderung kommt ohnehin wie ein guter Preis sofort in die Geschichtsbücher und wird dadurch zeitlos und zum Ausländer der jeweiligen Gegenwart.
Dem Publikum ist es letztlich egal, wer wo wie gegehrt wird, es liest deshalb ja genausowenig wie ohne Ehrung.
Aber es geht um den Kick, den eine gute Keksübergabe darstellt.
Hier ein Beispiel aus dem „Inland“, das nüchtern zeigt, wie vor genau 170 Jahren im Kurland die Wellen der Emotion bis in die Zeitung hineingerollt sind.
Befördert wurden:
zu vollen Generalen die Generallieut.:
d. Chef der Artillerie unter dem Inspektor der Reserve: Kavallerie, Arnoldi,
der Kommandeur des abgetheilten Korps der inneren Wache und Inspektor der Reserve-Infantrie, Hartung,
und der Kommandierende des Garde-Reserve-Kavallerie-Korps, Strandmann, letzterer mit Bestätigung als Kommandeur des genannten Korps;
zu Obristlieutnants die beim Generalstabe stehenden Kapitains, Baumgarten und Fock;
zum Rittmeister der Stabsrittmeister beim Husarenregiment König von Hannover, Stromberg;
zu Kapitains die Stabskapitains
beim Generalstabe, Baron Rennenkampf,
beim Dragonerregiment, Baron von Mengden,
beim Jägerregiment, Manderstjern,
beim Moskauischen Regiment, Baron Ludinghausen-Wolff
[uvm, und viele mehr]
Zitiert nach: Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv-, Esth- und Curländische Geschichte, Geographie, Statistik und Litteratur.
Dorpat, 7. Mai 1851, Spalte 344.
In der Eisenbahntechnik wurde im 19. Jahrhundert jenes Land, das zwischen zwei Strecken lag und noch nicht erschlossen war, Inland genannt.
Auch drüber gäbe es viele Beförderungen zu vermelden über Menschen, die schon Keks hatten, und solchen, die nie eines bekamen.
STICHPUNKT 21|30, geschrieben am 07/04/21