Der paranoide Lyriker (PL) zur Mutter:
Sei froh, dass du ein so gelungenes Kind auf die Welt gebracht hast, und keine Flasche, sonst müsstest du womöglich statt mir in die Psychiatrie.
Im Sillpark ist die Kleiderabteilung auf drei Etagen menschenleer. Die Ware verfault vor seinen Augen, während er durchgeht.
Das Personal kullert mit den Augen, weil die Masken das Sprechen erschweren.
Kann ich helfen?, kullern die Augen wie früher, als die Erotikbars noch offen hatten und das Sprechen mit den Augen gang und gäbe war.
Mir kann auf dieser Welt niemand helfen, kullert der Kunde zurück, der gerade Heinrich von Kleist gelesen hat und weiß, wenn jetzt eine Parkbank am Weiher zu Wannsee kommt, ist es aus.
Dann kullert die Kugel aus dem Lauf, quer durch den Kopf, hinein in die Natur, die sich gerade auf die Pollenproduktion spezialisiert hat.
Dennoch weht ein leiser politischer Hauch durch die Zeilen voller Kleiderständer. Seit sich die Schwarzen in Türkise verwandelt haben, sträubt sich die Bekleidungsbranche, diese Farbe für die nächste Kollektion einzusetzen.
Der PL fasst seinen Vormittag zusammen:
Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich mir alte, gute Vorbilder leisten kann. Constantin von Wurzbach etwa, was die personalisierte Geschichtsschreibung in der Provinz betrifft, oder den Kustos Konrad Fischnaler und seine Frau, die im Ferdinandeum seinerzeit den geilsten Schlagwortkatalog in den Alpen verfasst haben.
Beide Projekte bedeuteten mühsames Arbeiten. Aber der Wurzbach und die Fischnaler sind heute noch Vorbilder für Menschen, die in der Provinz was Verrücktes tun wollen. Glossen schreiben zum Beispiel.
Alle diese Sachen vom Rand sind letztlich über Jahrzehnte gültig, wenn nicht gar für Jahrhunderte, wenn nicht gar bis zum Untergang der Welt bei plus drei Grad.
STICHPUNKT 21|33, geschrieben am 05.05. 2021