Morning found us calmly unaware
Noon burn gold into our hair
At night, we swim the laughin‘ sea
Während ich dies schreibe, sitze ich im Pullover an meinem Computer. Gestern Nachmittag war ich draußen, hab’ meine obligate Runde gedreht, bewehrt mit Anorak und Kappe. Und das im August! Ende des Monats, zugegeben, aber doch!
Der Sommer hat’s nicht gut gemeint mit uns, dieses Jahr. Zumindest nicht hier, wo ich lebe. Ich hab’ gewartet, gewartet, gewartet, aber er kam nicht. Nicht wirklich. Für mich ein deprimierender Sachverhalt. Ich bin nämlich ein Sommermensch. Ich mag’s gern heiß, im Unterschied zu den allermeisten meiner Tiroler Verwandten, Bekannten und Freunde. Nur im Sommer hab’ ich das Gefühl wirklich zu leben. Alles andere und ganz besonders der Winter hier bei uns, das ist eigentlich nur überleben.
Wie’s einem alten Menschen so geht, kommen mir Bilder aus früheren Tagen in den Sinn. Sommer, das hieß für uns: Die Fenster in unserem Zimmer wurden zwei, drei Monate lang nie geschlossen. Die Jalousien blieben herunter gelassen, wodurch der Raum halbdunkel dämmerte. Aber das spielte keine Rolle, wir hielten uns ohnehin nur zum Schlafen dort auf. Aufwachen, Aufstehen: herrlich warm! Frühstück auf der Terrasse. Klar, ja, wir waren privilegiert, eine solche zu haben, ebenso Zugang zum Garten unseres Wohnhauses. Das Privileg ergab sich keineswegs aus dem Gehalt oder gar dem Vermögen meiner Eltern, sondern lediglich aus der beruflichen Stellung meines Vaters. Was unseren Genuss nicht im Geringsten störte.
Frühstück also auf der Terrasse. Im Sommer spielte sich unser ganzes Leben im Freien ab, Terrasse oder Garten. Ich kann mich erinnern, wie ich einmal, auf eben dieser Terrasse spät des Abends beim Schein der elektrischen Lampe einen Aufsatz verfasste für ein Proseminar, über die Kurzgeschichte „Young Goodman Brown“ von Nathaniel Hawthorne. Die Sommernacht beflügelte mich, der Aufsatz gelang sehr gut.
In früheren Jahren schwang ich mich nach dem Frühstück aufs Fahrrad, die Schwimmhose eingewickelt in ein Handtuch am Gepäcksträger, und radelte ins Tivoli, das Freischwimmbad in Innsbruck. Dort verbrachte ich den größten Teil des Tages, zusammen mit Freunden und Schulkollegen. Etwas später dann, im entsprechenden Alter, saßen wir am Abend in einem Lokal zusammen. Leider war das Angebot an Gaststätten damals viel, viel dürftiger als heute. Vor allem die später so beliebten Schanigärten gab’s praktisch überhaupt nicht. Dafür war die Altstadt vollgeparkt mit Autos. Wir frequentierten die Milchbar in der Maria-Theresien-Straße, nicht weit von der Triumphpforte; später dann das Löwenhaus, nicht zuletzt deshalb, weil es den italienischen Welterfolg, die Pizza, bei uns einführte.
Es fällt mir schwer, die einzigartige Stimmung solcher Sommerabende in der Stadt angemessen zu beschreiben: wenn die Mauern der Häuser die während des Tages gespeicherte Hitze zurück strahlten; wenn die Straßen zur Ruhe kamen; wenn sich die ganze Stadt quasi zurücklehnte nach einem heißen, bunten Tag: Aaah…
Summer in the City. Gleichgesinnte Gleichaltrige werden sich auch daran erinnern:
Cool town, evening in the city
Dressing so fine and looking so pretty
Cool cat, looking for a kitty
Gonna look in every corner of the city…
Ja, Mädchen spielten auch eine Rolle. Da gab’s die ausgesprochenen Sommer- oder Ferienbekanntschaften, von vorneherein nicht auf Dauer ausgelegt, das wäre aus geographischen Gründen unmöglich gewesen. Manchmal wurde eine solche, nämlich Dauer, dennoch erhofft, zumindest von einem der beiden Teile. Dann gab’s Abschiedsschmerz und Wehmut. Und manchmal, ganz ganz selten, ergab sich trotz allem etwas Dauerhaftes.
In unserem winterfesten Winkel der Welt ist der Sommer eigentlich schon ab Mitte August vorbei. Wenn’s da einen Schlechtwettereinbruch gibt, dann kühlen Seen und Schwimmbäder so ab, dass es mit dem Baden vorbei ist. In der Früh besticht die kühle, klare Luft – kein Frühstück mehr auf der Terrasse –, die Berge leuchten scharf und kräftig auf die Stadt herunter. Nicht lange mehr, dann werden sie sich verfärben. Und dann kehren wir zurück zur Schule oder auf die Universität. Dann beginnt wieder der so genannte Ernst des Lebens.
Nichts dagegen einzuwenden. Doch der Sommer ist vorbei, ein anderes Leben, ein anderer Modus – alles nur noch Erinnerung, verweht, ein Traum.
Summer’s almost gone
Summer’s almost gone
We had some good times
But they’re gone
The winter’s comin‘ on
Summer’s almost gone…