Weltspartag

30. Oktober 2023
1 Minute Lesezeit
Foto von Didier Weemaels auf Unsplash

Früher, ganz früher, sparte man hoffnungsvoll auf etwas hin.

Die Bank war der Ort, wo man für Verzicht mit einer besseren Zukunft belohnt wurde. Als Kind bekam man am Weltspartag einen „Sparefroh“ und eine rote, blaue oder grüne Metallkasse, deren Schlüssel von den Eltern verwahrt wurde. Und dann warf man fröhlich ab und zu eine Münze ein und malte sich aus, dass man eines Tages, wie Dagobert Duck, im angehäuften Kleinmetall baden würde, und die ganze Welt würde einem gehören.

Jetzt, seit das Sparbuch nichts mehr abwirft, sparen wir bestenfalls noch zornerfüllt /ängstlich bei Benzin, Strom, Schuheinkauf. Der lustige „Sparefroh“ für die Kleinen ist ausgestorben. Wir sparen verbissen Energie, um morgen noch ein Licht zu sehen. Wir versuchen, möglichst wenig Welt zu verbrauchen, damit unseren Kindern wenigstens ein bisschen davon übrigbleibt — während Konzerne und Machthaber weiterhin unbeschwert unsere Lebensgrundlagen in die Luft pusten.

In Zeiten der Inflation streichen Großaktionäre Gewinne ein, um diese, gut versteckt, auf Überseekonten zu bunkern. Doch für den kleinen Mann und die winzige Frau macht Sparen überhaupt keinen Sinn mehr. Im Gegenteil, flüstern uns die Kapitaleigner aus allen Richtungen zu: Sparen ist schnöder Verzicht! Gebt mit vollen Händen aus! Verausgabt euch! So werdet ihr endlich froh! Vergesst eure Zukunft, ihr habt sowieso keine.

Und derweil sammeln diese letzten verbliebenen Sparefrohs hinter unserem Rücken die Münzen ein und legen sich damit tonnenweise in Steueroasen Dagobert´sche Privatbäder an — während wir Kleinen am Welt-Spar-Tag die letzten Reste unserer Welt zusammenkratzen, um auch diese noch bei den Banken abzugeben.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Vorheriger Artikel

Die österreichische Lösung

Nächster Artikel

INNS´WURST (3): Beklagenswert, drei Aspekte

Latest from Leben

kath.net und andere Sünden

Es wurde schon viel kritisiert. Die meisten Menschen kümmert es kaum. Das katholische Nachrichtenmagazin kath.net floriert und verstreut seine Hetzbotschaft in Österreich, Deutschland und

Happy Birthday!

Ich reihe mich hiermit bescheiden ein in die lange Reihe prominenterer Gratulanten: Happy Birthday und viele weitere gesunde und aufregende Jahre, mein Freund!
Photo by Patrick Schneider on Unsplash

Port und Nippel

Wie ich ins Krankenhaus gekommen war, darüber habe ich hier schon geschrieben. Nun soll es um die physische Seite der Geschichte gehen.
Photo by Patrick Schneider on Unsplash

Finstere Wochen

Unser Autor richtet seinen Blick zurück aufs Leben. In einer schier unvorstellbaren Situation.

Könnte auch spannend sein

An den Freitag

Schön, dass es dich gibt.
Foto von Manny Becerra auf Unsplash

Abtreibung – Männlich

Ob befürwortet oder nicht, die Frau wird zum Objekt, über das bestimmt

Im Innsbrucker Wirtshaus

Eine Ultrakurzgeschichte auf Zeitreise.