Ezechiel 7 – Die Ankündigung des Gerichts, oder Gott wendet sich ab
„Leitln gfreit mi dass heit alle kemma seids, heit is so a schener Tag da ku ma scho amal dem Herr Gott Danke sagn und a a Messe feiern. Schauts eich um, der Berg, des Wetter a Traum, und des alles in meiner schönen Heimat, Kitzbühel, gemma a Stickl.“
„Komm mit mir in die Berge“. So betört Hansi, 57, aus Kitzbühel schon jahrelang Frauen und seltsamerweise auch Männer diverser Generationen. Von der Kilometeranzahl unbeeindruckt, folgen sie seinem Aufruf, kommen aus der ganzen Welt und treffen sich einmal im Jahr, wallfahrtsähnlich in Kitzbühel, um zu wandern. Schließlich gilt es, sich die Absolution und den Nachweis des real existierenden Gutmenschentums abzuholen. Zehn Jahre war das so, doch nun der Schock: Hansi streicht nach sehr erfolgreichen Jahren die Wanderung und hinterlässt damit eine Leere, die schwer wieder gefüllt werden kann.
Ez 7,5 – „So spricht Gott, der Herr: Schon kommt Unglück auf Unglück“
Niemand ist unbeeindruckt, schon gar nicht wenn man einmal Teil dieses Spektakels wird. Am Stützpunkt beim Starthaus der legendären Streif–Abfahrt treffen sich jeden August tausende Menschen. Hektisch wird jede Gondel genau beobachtet: „Letztes Jahr stieg er aus der 7-er Gondel, aber es hat so lange gedauert, bis er endlich da war“, erzählt ein kleines Mädchen mit leuchtenden Augen, voller Hoffnung und freudiger Erwartung. Sie kommt offensichtlich aus Deutschland, das erkennt man an ihrem Akzent und steht wahrscheinlich kurz vor der Einschulung. Er wird geliebt – von Jung und Alt.
Als dann die 7-er Gondel kommt, diese sich aber nicht öffnet, breitet sich eine Welle der Enttäuschung aus, jedoch ist dieser Moment nur von kurzer Dauer, denn man hofft auf die nächste Gondel. Doch auch diese wurde nicht erwählt. Gegenüber des Starthauses, auf einem kleinen Hügel, spielt eine Volkstümliche Gruppe – „Tiroler Echo“ – um die tausenden Pilger zu unterhalten: „Leitln, da Hansi is scho unterwegs, mia spielen no schnell drei Liadln, dann wird er schon eintrudeln!“ Nun gibt man den Menschen wieder Hoffnung auf ein baldiges Treffen mit ihrem Idol. Fataler Fehler!
Ez 7,6 – „Das Ende kommt. Es kommt das Ende. Das Ende nähert sich dir. Siehe, es kommt.“
Während die Band also ihre drei Nummern spielt, die Stimmung anheizt, tippt mir eine ältere Dame an die Schulter und drückt mir einen Zettel in die Hand: „Hansi Hinterseer Fanhymne“.
„Ist unser Alltag manchmal grau und leer
und würden wir ihm gerne entfliehn
Was uns dann hilft, heißt Hansi Hinterseer
Er ist die beste Medizin.
Hansi wie schön das es dich gibt
Du bist bei Jung und Alt beliebt
Mitten ins Herz trifft uns deine Musik
Lässt uns Träumen vom Glück und heiler Welt“
Perplex und beinahe paralysiert, weiß man nicht so recht was man damit anfangen soll. Trotzdem begeistert ob dieser Kostbarkeit, falte ich den Zettel ein und stecke ihn für später vorsichtig in meine Tasche! Das „Tiroler Echo“ spielt noch, immer mehr Fans versammeln sich im Kessel zwischen Hügel und Starthaus, klatschen, lachen, feiern, schwingen ihre Fahnen und erfreuen sich des wirklich schönen Tages, denn: „Wenn Hansi wandern geht, geht die Sonne auf!“
Irgendwann stoppt die Musik, die Augen beginnen zu strahlen, die Zähne drohen herauszufallen, denn nun kann es sich nur noch um Minuten handeln. Und diese vergehen und vergehen und werden beendet mit einem von 10.000 – Menschen – gestöhntem Ah! Jetzt ist er also da! Nun folgt die Ansprache, ja sie nicken alle. Doch bevor die Wanderung beginnt wird gesungen. Jetzt kommt der Zettel zum Einsatz. Alle kennen die Melodie, wenige brauchen den Text, viele haben zu Hause geübt. Hansi lächelt. Er scheint froh zu sein. Er dankt und verweist herzlichst auf seinen Verkaufsstand wo sich die exklusive Möglichkeit bietet, sein neues Album zu erwerben. Frenetischer Jubel; ja er überstrahlt die Sonne, und wenn man sich umdreht strahlen auch all’ seine Pilger. Hansi die Sonne, seine Fans die Strahlen.
Und plötzlich kommen alle auf mich zu, und ich weiß nicht was geschieht, bis ich sehe das Hansi an mir vorbeigeht, sich einschleust in die Menge, aber er kann ohne Probleme wandern, die Leute bilden einen Kreis um ihn – Menschentrauben umgeben ihn, wie einst Jesus in Jerusalem.
Nach eineinhalb Stunden Wanderung, die normalerweise nicht länger als zwanzig Minuten dauern dürfte, erreicht der Großteil den Stausee. Nicht wenige haben trotz Wasserstellen aufgegeben und verfluchen nun ihren Körper für dessen Versagen. Am Stausee steht ein Floß bereit – ja nicht einmal Hansi kann über Wasser laufen – er hüpft hinauf, bekommt ein Mikrophon und beginnt sofort zu „singen“ – Playback. Eine knappe Stunde erhellt seine glockengleiche Stimme die Herzen, bis man die Rückreise antritt. Auf dieser wird die angekündigte Bergmesse gefeiert, auch hier wird gesungen und gespielt.
Ez 7,7 – „Die Zeit ist da, der Tag ist nahe: Tumult, kein Jauchzen mehr auf den Bergen!“
Zufrieden sind in diesem Moment alle. Ein schöner Moment, schöne Aussichten. Morgen ist das große Open – Air. Eine ganze Stadt im Hansi – Fieber, die Hotels sind ausgebucht, ein Hahnenkamm Wochenende mitten im Sommer. Und dann der große Schock, die Hiobsbotschaft: Hansi schnappt sich das Mikrophon und verkündet schreckliches – das Ende der Wanderung – für immer. Damit reißt er seine Fans in ein tiefes Loch! Trauer und Wut machen sich unter den Fans breit, Angst vor leeren Kassen unter den Touristikern. Ja die Wirtschaftskrise hält Einzug, auch ins Heilige Land.
Als Grund für die Absage weiterer Wanderungen, nennt er einige „unwahre Pressemeldungen“, welche von 500.000 € Gage gesprochen haben. Hansi dementierte dies, er habe „nie einen Groschen verlangt“. Dies erschütterte den Vorzeigeschwiegersohn so sehr, dass er nicht anders konnte, als dem Event den Gar aus zu machen.
Was bleibt sind enttäuschte Fans, die Hansi real sehen, mit ihm wandern gehen und seine authentische Ader live sehen wollen, denn „im Fernsehen, kann alles gespielt sein“. Ob dies so ist, muss jeder selbst entscheiden, ein Gespür für Menschen hat er zweifelsohne.
Damit bleibt nur noch zu sagen, verzagt nicht wenn ihr nicht dabei wart:
„Das Glück der Zeit
spielt sich oft nur in Sekunden ab
Jahre vergehn – ein schöner Moment
Bleibt ewig bestehen
Zeit ist kostbarer als Gold
Zeit ist Leben und Leben ist Zeit, sie steht für Jeden bereit.“