Kürzlich fiel mir im Internet ein Jugendbildnis vom Bayernkönig Ludwig II ins Auge. Überzeugen Sie sich selbst von der frappanten Ähnlichkeit mit unserem jungen Bundeskanzler. Dasselbe schmale Gesicht, dieselben Ohren, derselbe geschwungene breite Mund, der tiefe Blick! Nur die lockigen Haare des Bayern müssten mit Pomade und Spray noch geglättet werden und schon wäre er´s. Und wenn man sich die Luftschlösser der beiden ansieht: romantisierender mittelalterlicher Überschwang, neueste Wunderkammern unter altertümelnder Formgebung versteckt, das Ganze oft ohne Sinn und Zweck, aber lieblich anzuschauen — dann wird die Ähnlichkeit erst richtig unheimlich.
Und bei einem anderen, propagandistisch gekonnt agierenden, zart gebauten, in seinem Ehrgeiz jedoch die höchsten Rösser besteigenden Politiker muss ich jedes mal, wenn er den Mund lautstark aufreißt, an einen klein gewachsenen Einpeitscher aus der Vergangenheit denken, der für jene Propaganda zuständig war, welche ein ganzes Volk und schließlich eine ganze Welt aufeinanderhetzte. Reine Zufälle der Physiognomie? Oder Karma? Nicht historische Fehlgeburt, sondern Wiedergeburt?
Millionen Hindus glauben schließlich daran, dass man zur Strafe oder Belohnung für sein Leben auf niederer oder höherer Stufe des Leidens wiedergeboren werden wird. Was aber, wenn man zur Strafe in demselben Körper mit der genau gleichen Geisteshaltung zurückkommen müsste? Was, wenn zum Beispiel ein Despot in einer neuen Zeit sein altes Leben und seine alten Handlungen noch einmal von vorne durchleben und dann an einer inzwischen besser organisierten, aufgeklärteren Gesellschaft und einer starken Gerichtsbarkeit scheitern müsste? Das wäre, wenn es funktionierte, doch wahrhaftig ein gerechtes Schicksal und könnte mich glatt zum Hinduismus bekehren.