Es gibt sie noch in Österreich. Die letzten Bastionen traditioneller Handlungsweisen, an denen keinesfalls gerüttelt werden darf. Aber warum eigentlich? Ein Phänomen, das seit Jahren heiß diskutiert, aber nicht reformiert wird, ist der Schulbeginn. Während der Coronapandemie hat sich gezeigt, was für ein heikles Thema die Verschiebung des Schulbeginns in den frühen Morgenstunden ist. Als aufgrund der epidemiologischen Lage eine Entzerrung der Schulbeginnzeiten gefordert wurde, hat sich gezeigt, wie starr das österreichische Bildungssystem auf solche Anforderungen reagiert. Vielerorts war es schier unmöglich, dass die Kinder gestaffelt in die Schule kommen können. Das eigentliche Problem hat aber mit Corona gar nichts zu tun und eine Entzerrung würde es nicht lösen. Die Schule in Österreich startet durchschnittlich um 8 Uhr und damit viel zu früh, wenn es um die Leistungsfähigkeit unserer Kinder und Jugendlichen geht. Der gesetzliche Spielraum erlaubt einen Schulbeginn bereits ab 7 Uhr morgens.
Experten, Realität, Österreich!
Ob jemand eher ein Frühaufsteher oder ein Langschläfer ist, liegt laut Experten an der genetischen Veranlagung. Experten gehen jedoch davon aus, dass rund vier von fünf Menschen eher Langschläfer sind und sich besonders überwinden müssen, für Job oder Schule früh aus den Federn zu kommen. Bekannt ist auch, dass Jugendliche noch einmal deutlicher dem Typus der Langschläfer zuzurechnen sind. Den Rückverlegung des Schulbeginns auf ca. 9 Uhr würde die Leistungsfähigkeit von 70 bis 80 Prozent der Schüler deutlich steigern. Warum tun wir das dann nicht einfach? Wollen wir nicht, dass unsere Schüler die beste Leistung abrufen können? Wie so oft – besonders oft in Österreich – ist die Antwort auf diese Fragen nicht so einfach. Die Schule ist eng verknüpft mit der Arbeitswelt und dem Arbeitsbeginn vieler Eltern. Sie wollen ihre Kinder betreut wissen, wenn sie in ihrem Job eingespannt sind. Andererseits befindet sich die Arbeitswelt im Wandel und die Betreuung am Nachmittag ist auch nicht überall geregelt, wenn die Kinder beispielsweise um 13:30 mit der Schule fertig sind.
Ein schläfriger Ausblick!
Ein späterer Schulbeginn würde also den meisten Schülern helfen, größtmögliche Flexibilität den Eltern. Große Schulen hätten die Möglichkeit, einzelne Klassen zu früherer und andere wiederum zu späterer Stunde starten zu lassen. Bei vier Klassen einer Schulstufe könnte doch eine für Frühaufsteher zur Verfügung stehen und drei Klassen die Bedürfnisse der Langschläfer berücksichtigen. Damit wären wir wieder bei der Entzerrung der Schulbeginnzeiten, die bereits in Pandemiezeiten nicht funktioniert hat. Das österreichische Bildungssystem ist einfach ein starrer Dampfer auf hoher See, der Reformen trotzdem gekonnt umschifft. Das schwerste ist immer der Anfang – nicht der Schulanfang. Wer auf eine große Reform hofft, wird vom Bildungssystem bitter enttäuscht zurückgelassen. Das gilt auch für eine Umstrukturierung bei den Beginnzeiten. Einzelne Schulen oder Schulregionen müssten mit gutem Beispiel vorangehen, Modellregionen geschaffen werden. Optimistisch geschätzt wird es maximal zwei bis drei weitere Generationen brauchen, bis die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Chronobiologie Niederschlag im österreichischen Schul- und Bildungssystem finden. Bis dahin: zurücklehnen und weiterschlafen!