Als Hauptmobilisierungsgrund wird in diesem Kontext die „Flüchtlings- bzw. Asylproblematik“ genannt. Gleich an zweiter Stelle rangiert laut Wählerstromanalysen etwa in der Steiermark das Themengebiet der Sozialleistungen, welche durch die Reformpartnerschaft aus ÖVP und SPÖ massiv gekürzt wurden. Selbstverständlich besteht zwischen diesen beiden Themen eine enge Korrelation. Blickt man auf die Argumentationsstruktur der FPÖ werden neben der drohenden kulturellen Verwässerung des Abendlandes, nämlich in erster Linie die hohen Budgetausgaben für Flüchtlinge und deren Profitieren durch den österreichischen Sozialstaat angeprangert.
Während der erste Teil dieser Argumentation auf kulturelle Fragestellungen eingeht, bildet der zweite im Eigentlichen einen wirtschaftspolitischen Ansatz. Es wird eine Fiktion geschaffen, in der nicht der neoliberalistische Mainstream europäischer Wirtschaftspolitik für die Kürzungen im sozialen Bereich verantwortlich sind, sondern die Ausgaben für Schutzsuchende. Die Ursprungsproblematik ist und bleibt die soziale Frage in Zeiten einer neoliberalen Sparpolitik, von der ganz Europa betroffen ist. Jedoch hat sich um jene Ursprungsproblematik ein Mäntelchen der Feindseligkeit gegenüber Fremder gehüllt, welches den gewünschten Grad an Emotionalisierung jederzeit gewähren kann. Doch dabei bleibt es nicht: Es wird hier auch eine Vorstellung genährt, in der jene Menschen, die heute in Zeltstädten im Freien campieren müssen (und demgemäß allen Wetterlagen ausgesetzt sind), vom omnipräsenten sozialen Sparkurs ausgeklammert werden. Sie genießen nach dieser absurden Logik also all jene Leistungen des Staates, welche den Österreichern verwehrt bleiben, obwohl sie augenscheinlich unter Bedingungen leben, die einem der reichsten Länder der Welt unwürdig sind. De facto kostet ein staatlich untergebrachter Asylwerber Österreich 18 Euro pro Nacht (welche aber an den Betreiber der Unterbringung gehen) sowie 40 Euro Taschengeld im Monat.
Nun ist die Politik der Teilung aber keine neue. Polemik mobilisiert und Ausgrenzung marginalisierter Bevölkerungsgruppen schafft auf sehr billige Weise ein Identitätsgefühl für den verbleibenden Rest der Gesamtbevölkerung. Das gute, alte Wir-Gefühl. Divide et impera (also „teile und herrsche“) wie die Römer zu sagen pflegten.
Klar ist jedoch, dass die soziale Frage, die gerade in Zeiten andauernder europäischer Stagnation eine immer brennendere wird, erfolgreich von der FP absorbiert wurde. Mit einer schwachen, sich auf Sinnsuche befindlichen SPÖ kann die FP sich weiterhin als soziale Volkspartei inszenieren, obwohl sie bei der Lösung der sozialen Frage weniger eine Klasse als eine aufwendig konstruierte „Rasse“ zu vertreten gedenkt. Denn nach unten zu treten ist nun mal bedeutend einfacher. Menschen ohne Stimme zu Sündenböcken zu stilisieren anstatt Fragen nach Umverteilung und ökonomischer Gesinnung zu stellen, bewahrt auch davor, den wirklich Mächtigen auf die Füße zu treten.
Die Wahrheit ist jedoch konkret, wie Hegel schon sagte, und die Menschen wollen abgeholt werden, wo sie stehen. Zur Not auch mit dem Vehikel der Fremdenfeindlichkeit.
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Von der Themenführerschaft zur Deutungsmacht der FPÖ
Was ist die österreichische Mentalität, und welchen Werten hängt ein freiheitlicher Patriotismus an? Und inwiefern stehen diese im Einklang mit österreichischer Tradition?
Da nun die moderne Selbstdefinition des Österreichers eine äußerst schwammige Angelegenheit ist, und als Potpourri aus Deutschenhass, Skifahren, Dialekt und teils bäuerlichen, teils aristokratischen Traditionen gesehen werden kann, fällt es per se schon schwer hier Abgrenzungen zu schaffen. Wien etwa war bereits zu Habsburgerzeiten schon ein Schmelztegel der Nationen und ist auch heute Sitz zahlreicher internationaler Organisationen, hatte also demnach aus sich selbst heraus schon immer multikulturelle und internationale Ausprägungen. Da aber die FPÖ Themenführerschaft über den österreichischen Identitätsbegriff erlangt hat, muss genau geprüft werden, welche Kulturmerkmale die blaue Fremdenfeindlichkeit für sich in Anspruch nimmt. Die FPÖ spielt hierbei mit Sehnsüchten der Menschen nach Gemeinsamkeit und Solidaritätsgefühl in einer immer komplexer werdenden Welt. Das Merkmal der Sehnsucht ist, dass sie von jeglichem Realitätszwang befreit ist. Ich möchte daher diese Kulturmerkmale bewusst an ihren eigenen, teils utopischen Idealen messen, um die Essenz, die sie theoretisch verkörpern mit der Romantik einer blauen Identitätskonstruktion aufzuwiegen.
Ein Merkmal, welches die FP dem typischen Österreicher zuschanzt, ist jenes der Angehörigkeit zum Christentum. Zweifelsohne wird der katholische Einfluss auf Österreich im Laufe der Geschichte kaum zu leugnen sein. Ohne Theologin zu sein, scheint es mir dennoch evident, dass einer der wichtigsten Kernpunkte der christlichen Religion jener der Nächstenliebe ist. Dieses Herzstück christlicher Moral verpflichtet Gläubige dazu, jeden Nächsten und jede Nächste wie sich selbst zu achten. Dass die FPÖ auch diesen Begriff bis zur Unkenntlichkeit entstellt hat, ist ebenso bedauerlich wie verwunderlich. Das Außergewöhnliche an der Lehre der Nächstenliebe ist gerade, dass sie sich nicht auf eine bestimmte Gruppierung, Klasse, Religion oder Ethnie beschränkt. Sie stellt den Grundsatz auf, dass jeder und jede diese oder dieser Nächste sein kann, und wir ihm/ihr als Mensch verpflichtet sind. Nicht eine wie immer geartete Zugehörigkeit macht ihn oder sie schutzwürdig, sondern das schlichte Mensch-sein reicht aus. So sehr die FPÖ sich nun schon im Ton vergriffen hat, sie wird nicht leugnen können, dass auch Menschen anderer Ethnien Menschen sind und dass sie damit auch von der christlichen Nächstenliebe erfasst werden sollten. Ansonsten empfehle ich wärmstens das 1937 erschienene Buch „Jugend ohne Gott“, des österreichischen Autors Ödön von Horvath, wo die Auswirkungen einer solchen Haltung in ihrer nationalsozialistischen Ausprägung auf den philosophischen Prüfstand gestellt werden.
Dann kämen wir zum zweiten, immer wieder vorgebrachten Argument, die österreichische Mentalität sei eine laizistische und daher sei der Österreicher und die Österreicherin einer bzw eine, der bzw die Staatsmacht und Rechtsstaat anerkennt. Da aber der österreichische Gesetzgeber das Recht auf Asyl gesetzmäßig verankert hat, ist auch das kein fruchtbringendes Argument. Der gesetzestreue Österreicher, die gesetzestreue Österreicherin müsste sich demnach besonders für die Gewährung von Asyl einsetzen, anstatt in Wien Erdberg (minderjährige) Flüchtlinge mit xenophoben Plakaten zu begrüßen.
Immer wieder ist von Seiten der FPÖ auch über das gemeinsame Identitätsmerkmal der „abendländischen Kultur“ zu hören und zu lesen. Was aber beinhaltet diese Kultur? Zweifelsohne muss sie eine europäische sein. Doch die europäische Identität ist eine zarte Pflanze, welche gerade durch rechtsnationale Parteien wie die FPÖ immer wieder kurz vor dem Welken steht. Sich also einerseits auf jene Identität zu berufen, um sie andererseits unablässig zu torpedieren und nationale Partikularinteressen zu schüren, wenn es um österreichische Positionen zur EU geht, ist alleine schon inkonsistent genug.
Global wird die größte Errungenschaft dieses Kontinents aber wohl die Erklärung der Menschenrechte von 1948 sein. Dass diese alles andere als FPÖ-Parteilinie widerspiegeln, dürfte bekannt sein. Aber in aller Deutlichkeit legt Artikel 14 EMRK fest: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“
Die FPÖ vertritt so gesehen also keineswegs eine Gesinnung, welche den Idealen ihrer eigenen kulturellen Herkunft gerecht werden, sondern erschafft eine Mentalität der Kleinheit und menschlichen Kälte, des Rassismus und der Realitätsverweigerung, die im krassen Gegensatz zu den Werten des Gesetzgebers, der christlichen Religion und der europäischen Gesinnung stehen. Der Siegesmarsch der FPÖ ist auch ein Meilenstein des Werteverfalls, die in Anspruch genommenen Werte sind jedoch Früchte einer europäischen Geschichte von Krieg und Verheerung und kostbarstes Erzeugnis des letzten Jahrhunderts. Es wird also Zeit sie aus der Deutungsmacht einer Partei zu lösen, die mit den ökonomischen Ängsten einer Nation spielt und dabei immer nach unten tritt, anstatt nach oben.
Diejenigen, welche so besorgt um die eigene Kultur und Gesinnung sind, sollten zu ihrer Konservierung nicht nur Lederhosen und Dirndl tragen, sondern die Ideale ihrer ihnen kostbaren Identität vor Verwässerung durch Polemiker schützen. Wer das Abendland erhalten will, sollte sich weniger auf Hautfarben, Pässe und Religionszugehörigkeit, als auf die Einhaltung der Menschenrechte konzentrieren. Diese wurden nämlich 1948 von Personen festgeschrieben, die nie wieder in einer Welt leben wollten, in der Anstand und Mitgefühl sowie menschenwürdige Behandlung an Rasse und Nation gebunden sind.
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Das Opfer-Täter Paradoxon
Zu guter Letzt möchte ich jedoch auf das eingehen, was immer wieder als „Sicherheitsargument“ gegen Asylwerber gehandelt wird. Dieses Sicherheitsargument greift die Angst vor dem Zuwandern von Extremisten des IS bzw. islamistischer Dschihadisten auf. Dieses Argument ist meiner Meinung nach wohl das Verstörendste unter allen.
Seit Juli letzten Jahres gehen unzweideutige Bilder von Mord, Folter und Krieg im mittleren Osten um die Welt. Jedes mal, wenn wieder ein amerikanischer Staatsbürger geköpft wurde, schlugen die Wogen hoch. Das akute Grauen vor solch brutaler Barbarei war überall zu spüren. Und gerade im Zeitalter der Effizienz und Ökonomisierung war es eben jener Anflug von Mitgefühl und jene Abneigung gegen plastische Abscheulichkeiten, die eine Rückschau auf die eigene Geschichte und Identitätsstiftung, durch die Besinnung auf hart erkämpfte Menschenrechte erhoffen ließen. Das Attentat auf Charlie Hebdo in Paris, brachte einen flächendeckenden Aufschrei der westlichen Welt mit sich, der im Zeichen von Frieden und Pressefreiheit stand. Weltweit versammelten sich Menschen um den Zeichnern zu gedenken, aber sich vor allem ihres eigenen Wertsystems zu vergewissern. Diese Form von Zugehörigkeit ist die einzig zukunftsweisende im europäischen Kontext. Dass jedoch unter all den Opfern des IS die Mehrheit der Toten immer noch Muslime sind, wie sogar Barack Obama in seiner Rede vom 10.9.2014 im weißen Haus festhielt, wurde hierzulande scheinbar völlig vergessen. Zahlenmäßig kommen laut Bundesministerium für Inneres die meisten Flüchtlinge aus Syrien (3.424 Anträge), gefolgt von Afghanistan (2.393 Anträge) (http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/2015/Asylstatistik_April_2015.pdf) Es ist bekannt, dass diese Menschen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus Gebieten kommen, die schlichtweg unbewohnbar sind, und dass jene die es bis hier her geschafft haben, mehrheitlich eine lange, lebensgefährliche Reise auf sich genommen haben, um bis nach Österreich zu kommen. Doch anstatt dieses Faktum anzuerkennen werden die Schutzsuchenden als Eindringlinge gesehen. Ihr Ankommen in Österreich allein wird als aggressiver Akt gedeutet. Ungeachtet der Tatsache, dass sich die meisten Flüchtlinge nichts sehnlicher wünschen, als irgendwann in ihre Heimat zurückkehren zu können, werden sie in den Köpfen der Fremdenfeindlichen zu muslimischen Eroberern und Besetzern. Hier werden die Opfer mit dem Stigma ihrer eigenen Täter behaftet. So paradox es auch ist, die Abneigung gegen den IS hat sich in die Abneigung gegen seine Opfer gewandelt. Diese werden also doppelt bestraft. Aus ihrer Heimat vertrieben werden sie am Zufluchtsort der Schuld an der eigenen Lage bezichtigt. Es ist schlichtweg absurd, Menschen, die vor dem IS und den Bürgerkriegszuständen im mittleren Osten fliehen, auf eine Weise auszugrenzen, die ihnen das Verhalten ihrer eigenen Opponenten vorwirft. Aber viel schlimmer ist, dass dieses Verhalten dem IS und der extremistischen Gesinnung als solcher nicht schadet, sondern nutzt. Was Terrorismus nämlich erreichen will, ist die Aushöhlung westlicher Ideale bzw. ihre Entschleierung als leere Worthülsen. Indem man nun aber die syrischen und afghanischen Flüchtlinge (und Asylwerber allgemein) von dem Recht auf Zuflucht ausschließt, beraubt man die Menschenrechte ihrer Generalität und bewirkt damit unweigerlich ihre Abschaffung im Ganzen.
Eine Schlussbemerkung
Nun ist es zugegebener Maßen sehr einfach, die FPÖ ihre Wähler und Wählerinnen der Dummheit zu bezichtigen, ihre Prämissen für lächerlich und ihre Konklusionen für menschenverachtend zu erklären. Fakt ist jedoch, dass die Angst vor dem Fremden vorhanden ist, und dass innerhalb der Gesellschaft soziale und kulturelle Reibung vor allem dort entsteht, wo es an Kommunikation mangelt. Indem man diesen Diskurs also auf linker Seite ständig meidet, überlässt man das Feld bereitwillig den Rechten. Blickt man auf den ökonomischen Kontext derer, die tatsächlich in Berührung mit handfester Integrationsproblematik kommen, so ist leicht festzustellen, dass diese sich in sozioökonomisch schwächeren Schichten befinden. Nicht die Gymnasien und Universitäten sind Austragungsfläche dieser Konflikte, sondern die Hauptschulen, die Berufsschulen, die Gemeindebauten. Die Sorgen und Ängste mancher Österreicher müssen ernstgenommen und die Spannungen, die sich ergeben adressiert werden. Es ist an der höchsten Zeit, dass die Linke sich endlich dieser realen Problematik annimmt, sie als Strukturversagen der Politik enthüllt und sie in einen wirtschaftspolitischen Kontext einbindet anstatt sie weiterhin in den Händen derer zu belassen, die sie zum Vorboten des Kampfes der Kulturen inszenieren.
Raphaela Tiefenbacher ist Studentin der Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität Wien. Ihre Betrachtungen zu den Entwicklungen des jüngsten Zuwanderungsdiskurses legen die Paradoxie der Fremdenfeindlichkeit offen. Weitere Ausführungen kann man auf mokant.at lesen. Titelbild by Wilhelmine Wulff / pixelio.de
Eines der größten Paradoxon der FPÖ soll hier noch ergänzt werden:
Im Zuge ihrer parteipolitischen Positionierung treten Wortführer der FPÖ sehr wohl auch nach“oben“!
Das populistische Deckmäntelchen des Anti-Elitarismus stellt einen der wesentlichen Grundpfeiler freiheitlicher Politik dar. Wählerstimmen werden auch deshalb von der FPÖ erfolgreich generiert, weil sie mit Nachdruck den Schein von Bürgernähe medial transportiert und sich dem Wähler stets als anti-elitäres Bollwerk präsentiert.
Dabei vergessen freiheitliche Wähler mit einer erstaunlichen Ignoranz, dass FPÖ-Spitzenpolitiker und Parteifunktionäre überwiegend eine elitäre, weil bündische Sozialisation und Starthilfe für sich in Anspruch genommen haben und nun selbst schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten der politischen bzw wirtschaftlichen Elite des Landes angehören.
das zeltfest hatte geschlossen, drum hab ich etwas zeit:
bin eig. kein blauer, nur geht mir das undifferenzierte gebashe gegen diese partei etwas auf’n keks:
zu allererst muss ich am „Der überwältigend klare Ruck nach Rechts“ einspruch nehmen. das wahlprogramm der fpö mag sich an vermeintlich rechten themen gehör verschaffen, steckt aber ein viel zu breitgefächertes politisches spektrum ab, als es – und dabei die partei im gesamten – rein im rechten eck zu verorten. mein 2ter einspruch gilt der sora wählerstromanalyse, welche so manche wahlmotive wie jenes der verdrossenheit beispielsweise ausklammert. über „cum hoc ergo propter hoc“ sollte ich mich nicht auszuführen haben.
etwas tendenziös finde ich übrigens die zeilen über geschaffene fiktion, wonach kürzungen im sozialen bereich nur den ausgaben für schutzsuchende gegengerechnet würden. so ist die ansprache des neoliberalistischen mainstreams europäischer wirtschaftspolitik sehr wohl eine buchungszeile in der gezogenen blauen bilanz, auch wenn sie sich mehr in einem eu-politischen ressentiment wiederspiegelt denn in konkreten reformvorschlägen. (siehe deren wahlprogramm)
weiters würde mich interessieren, aus welchen lebensweltlichen erfahrungen sie die trennlinie der würdigen und unwürdigen lebensbedingungen festlegen, und warum? ich glaube nämlich, dass in ihrem maßstab einiges untergeht, angefangen bei präsenzdienern im bundesheer, bis hin zu campenden pensionisten an der donau.(ich bin ein polemischer mensch, sry) krankenversicherung, verpflegung, ein !dach über dem kopf, taschengeld, schulgeld, bekleidungsgeld, fahrkostenzuschuss, sicherheit, stellung von anwaltskosten…. Allein diese auflistung rechtfertigt wohl, um dieses ihre „de facto“ in ein „de jure“ umzuformulieren.
ich gebe ihnen recht, polemik und ausgrenzung stiftet identität. mir scheint aber, dass dieses ressentiment gegen außen und das zusammenrücken des innen, ganz anderswo mehr gestiftet wird als durch politische polemik, nämlich im alltag: ich weiß nicht, ob sie als studentin schon mal in den genuss gekommen sind, von einem leiharbeiter ausländischer herkunft aufgrund der arbeitskostensenkung übervorteilt worden zu sein? auch weiß ich nicht, ob sie als stundentin in jenen speziellen stadtteilen wohnen, in denen multikulti in realpräsenz gegenwärtig ist. ich weiß nicht, ob sie als eventuelle mutter ihr kind dann doch auf eine privatschule schicken, um es nicht den inflationären zuständen an schulen mit hohem ausländeranteil, stockendem deutsch und dieser ominösen „inklusion“ anheimfallen zu lassen. auch glaub ich nicht, dass sie in den genuss jener „hilfsbereitschaft“ gekommen sind, in welcher ihren problemen mit „fremder“ verwandschaft abhilfe geleistet wird (a la „alter, hast du ein problem?“) , etc; und nein das sind keine abstrakten denkfiguren, sondern lebensweltliche erfahrungen, in deren genuss menschen mit höheren (aus)bildungsgraden und schönen vorgärten nicht kommen. denen fällt es zugegeben recht leicht, parteipolitischen erfolg auf rudimentäre bildung und verkümmerten intellekt zu reduzieren.
mir scheint, dass politische einstellung mehr eine frage der anknüpfungspunkte zum und im leben ist, denen es manchen mangelt. den rechten sowie den linken! im rein theoretischen zugang zum thema ergibt sich sowas nicht. (nur mal um den topos zuwanderung und die motivation dahinter oberflächlich anzusprechen)
bzgl des schmelztegel wien, so war er wohl selbst zu habsburgs zeiten kein gefüge widerstrebender kulturen von orient und okzident sondern (wenn überhaupt) die heruntergebrochene summe der (kron)- länder. mit gegenwärtiger multi- kulturalität hat das nicht viel zu tun, ganz zu schweigen davon, dass ethnien damals anders ansässig waren, als sie es heute sind (sudetendeutsche , siebenbürgen…)
es ist mir sehr lieb, dass die die nächstenliebe als essenz christlicher prägung verstehen. es heißt, du sollst deinen nächsten lieben wie dich selbst. mit diesem „wie dich selbst“ wird der maßstab der nächstenliebe auch an der selbstliebe bemessen. nur frag ich mich: jemand der sich nicht selbst liebt und wertschätzt, wie soll der dann einen anderen wertschätzen? die demontage eines/unseres nationalgefühls und stolzes steht dieser regel doch etwas diametral gegenüber, finden sie nicht? und wenn man schon dem staat als abstrakem gerüst die möglichkeit der nächstenliebe zuspricht, dann müsste man ihm im umkehrschluss auch jene tugend der selbstliebe zusprechen. dabei birgt das umsetzen von gedankenloser nächstenliebe allerdings eine gewisse schwierigkeit. so vollzieht sich nächstenliebe im für sich verträglichen und für den anderen nötigen maß und verbleibt dabei nicht nur bezogen auf gegenwart sondern auch auf zukunft hin. die verbundenheit mit der heimat und jene, auf die zukunft des heimischen gerichtete, antwort auf die flüchtlingsfrage erscheint dabei weniger als not sondern mehr als tugend.
sie erwähnen so nett die konservierung von indentität und nennen unsere ideale als kostbare früchte der entbehrungsreichen vergangenheit. hier haben sie meinen vollen zuspruch. nur halte ich es für fatal, wenn im ausleben jener werte und ideale diese dabei selbst unterwandert und ausgedünnt werden. für sie als studentin der rechtswissenschaft ein plakatives beispiel aus england: Muslim Arbitration Tribunale als staatlich unter schutz und schirm stehende sharia. mit überhasteter toleranz fährt man diese unsere ominösen werte an die wand, gerade im zusammenhang mit dem von ihnen erwähnten islam. mir verbleibt es unbegreiflich, wie in den immer wiederkehrenden debatten die angst vor dem fremden als xenophob islamophob etc. gebrandmarkt wird und man gleichsam den islam mit all seinen faschistoiden inhalten im fahrwasser dieser argumente fahrt aufnehmen lässt? der bumerang mit der parole „keine toleranz der intoleranz“ wird im kampf gegen rechts zwar ausgeworfen, im kontakt mit dem islam aber nicht mehr eingeholt. hoffen wir, dass er uns nicht gegen die stirn knallt. die friedertigkeit die von geistlichen autoritäten im westen proklamiert und vorgetäuscht wird, rührt häufig mehr von dem minderheitenstatus und der zügelnden rechtsstaatlichkeit hierzulande, als vom wesen des islam und dem niederschlag im koran. blicken sie in die geschichte und schauen sie sich länder im arabischen raum an in denen der islam zu seiner blüte kommt/kam, und nein damit meine ich nicht den is. es reicht nach pakistan, saudi arabien, den iran im kontext von mossadegh oder in die türkei im kontext von atatürk zu schauen. dass der koran neben moralischen und religiösen maximen auch soziale und politische direktive setzt, sollte uns und ihnen als stundentin des rechts zu denken geben.
dieses „europa als zarte pflanze, immer wieder bedroht von rechts nationalen parteien“ gepaart mit vorhergehenden sätzen, erinnert mich persönlich mehr an eine reductio ad hitlerum denn an eine strukturanalyse des europäischen. unser kontinent ist geprägt von regionaler und nationaler verfasstheit, und das ist dabei ein unumwundenes strukturmerkmal. das aushebeln dieses merkmals durch ein ad absurdum führen und eine rückführung auf den nationalsozialismus halte ich für einen wesenszug, der diesem europäischen strukturmerkmal spottet und es sabotiert, übrigens ganz in der spielart dieses ominösen wirtschaftsneoliberlismus von seite 1.
„Jeder hat das Recht, in anderen Län¬dern vor Ver¬fol¬gung Asyl zu suchen und zu genießen.“ sicher, keine frage, nur ist das nicht äquipollent einem freifahrtschein für wirtschaftsflüchtlinge, und hält die möglichkeit eines positiven oder negativen asylbescheids offen. für die aufnahme von kriegsflüchtlingen egal welcher herkunft, religion und sonstigen kriterien spreche ich mich auch aus.
Unter uns 2 studenten (ich bin selber einer): ich bin ich der meinung, dass man den mund nicht weiter aufmachen sollte als die hand. dabei stoßen mir die phrasen und worthülsen vieler studenten vor den kopf. wir sind keine unternehmer, die asylwerber einstellen könnten, haben keine wohnung in denen wir flüchtlinge beherbergen könnten, unser steuerlicher beitrag für die staatskassa hält sich auch in grenzen. viele haben keine kinder, und leben dabei losgelöst von so manchen verpflichtungen und sorgen. als verdikt möchte ich festhalten, dass ich die diskussion und forderungen doch manchmal etwas blumig finde. es fällt leicht in einer diskussion partei zu ergreifen, ohne real, entsprechend dem eigenen forderungskatalog, etwas abzuleisten zu müssen.
ich finde es schön wie sie ihre guten anliegen und gedanken in die zeilen gegossen haben. fand das sehr anregend! DANKE