Foto von Sandra Grünewald auf Unsplash

Wir haften für unsere Geschichte …

3 Minuten Lesedauer

… vor allem für die, die wir selbst gestalten.

Dass diese Inschrift nicht den Weg aufs Landhaus gefunden hat, schmerzt immer noch täglich. Die Verantwortlichen drinnen haben nämlich eines nicht begriffen: Der Satz beinhaltet nicht nur die Mahnung, sich an vergangenes Unrecht zu erinnern. Daran denkt bekanntlich niemand gerne. Doch inzwischen wäre das Unrecht der Nazizeit schon bei den Groß- und Urgroßeltern angesiedelt, und alle außer den Nachkommen der Opfer könnten sich inzwischen relativ schmerzbefreit daran gemahnen lassen. Erinnerungskultur kommt vielleicht deshalb jetzt geradezu in Mode.

Doch die Kehrseite des Satzes bestünde in der täglichen Erinnerung derjenigen, die ihren Arbeitsplatz im Landhaus haben: Ihr macht jetzt jene Geschichte, für die man euch eines Tages haftbar machen wird. Die Zukunft unseres Landes, unserer Kinder wird mit jeder eurer noch so kleinen Amtstätigkeiten, mit jeder politischen Entscheidung, mit jedem einzelnen Bescheid geschrieben. Seid euch dieser Verantwortung bewusst, wenn ihr dieses Haus betretet.

Und die Platzierung an der Außenfassade hätte auch Bürger, Passantinnen täglich angefallen mit der gerne verdrängten Erkenntnis: Es ist nicht egal, wen ihr wählt. Es gibt keine billige Eintags-Denkzettelwahl, kein Es-ist-ja-eh egal. Diejenigen, die ihr da hineinsetzt, werden über euer Leben und das eurer Kinder und Kindeskinder entscheiden, indem sie Weichen stellen. Dahin oder dorthin fährt der Zug ab — in welche Richtung, das ist auch eure Verantwortung. Motschgern wird euch so wenig davon befreien, wie die ehedem heimlich erzählten Nazi-Witze unsere Vorfahren von ihrer ewigen Schuld und Schande freisprechen können.

Ich glaube inzwischen, es war hauptsächlich dieser zweite Aspekt der Botschaft, der Politiker und Beamte den Juryentscheid feige hat kippen lassen. Man will eigentlich für nichts geradestehen. Immer gibt es Sachzwänge, Parteiräson, Traditionen oder unbeeinflussbare Mächte, auf die man die eigene Verantwortung für Entscheidungen abwälzen kann. Doch als Entschuldigung gegenüber kommenden Generationen wird das nicht halten. Ihr im Landhaus werdet dafür haften, wir alle werden dafür haften, ob wir die Zeichen an der Wand heute sehen wollen oder nicht.

*) Dasselbe Thema habe ich schon einmal im Alpenfeuilleton thematisiert. Wie man sieht, lässt es einem keine Ruhe. Es muss also wohl wichtig sein.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.